Hannover 96 | Saison 1999/2000, 22.Spieltag |
Fortuna Köln - Hannover 96 1:1 (0:1) |
96: Sievers - Baschetti - Stefulj, Reinhardt - Lala, Kreuz, Gärtner, Bounoua (68. Kehl), Blank (65. Cherundolo), Kobylanski (85. Keita) - Stendel / Trainer: Ehrmantraut
Tore: 0:1 Bounoua (43.), 1:1 Catic (47.) - Schiedsrichter: Steinborn (Sinzig) - Zuschauer: 2 500 - Gelbe Karten: Bounoua
Folter-Fußball in Köln, 96 tut
schon weh
Ehrmantraut lobt Kampf, Einsatz und neuen Libero Baschetti - Ärger um kranken
Milovanovic
96-Torwart Jörg Sievers hatte es gut. "Wenn man
konzentriert ist, bekommt man gar nicht mit, wie die Qualität eines Spiels ist. Das hört
man immer erst nach dem Abpfiff." Vom Trainer zum Beispiel. "Das war keine gute
Partie", erklärte Horst Ehrmantraut beschönigend. Genau genommen war es
Folter-Fußball, den die Abstiegskandidaten Fortuna Köln und 96 den Zuschauern am Sonntag
beim 1:1 im Südstadion zumuteten. Immerhin gewann 96 einen Punkt, der aber auch nicht
weiterhilft. Die Abstiegsplätze rücken näher - nur noch ein Zähler trennt 96 von der
dritten Liga. Auch in der dritten Partie unter Ehrmantraut gab es keinen Sieg.
Trotzdem glaubt der Trainer bei seinen Profis erkannt zu haben, dass "sie langsam
verstehen, was in der zweiten Liga gefordert ist". Angeblich Kampf und Einsatz,
"nicht Schönspielerei". So gesehen, kann Ehrmantraut zufrieden sein. "Der
Wille war da", meint der neue 96-Kapitän Jörg Sievers. Der Coach testete mit Mirko
Baschetti in der dritten Partie bereits den dritten Libero. "Er war der beste",
fand Ehrmantraut, "Mirko hat die Abwehr stabilisiert, mit ihm wird unserer Spiel
sicherer."
Der Fußballlehrer hatte auch sonst sein Team wieder umgebaut. Der von Ehrmantraut zuletzt
noch gelobte Steven Cherundolo flog aus der Anfangself. Der Amerikaner war
"überrascht", Sebastian Kehl geht es ebenso. Er wurde ebenfalls erst in der
zweiten Halbzeit eingewechselt. Cherundolo hätte in der 77. Minute nach einem schönen
Schuss aus 17 Metern fast das 2:1 erzielt. Nicht mal im Aufgebot war Goran Milovanovic,
der sich kurz vor der Abfahrt am Sonnabend mit Atembeschwerden krankgemeldet hatte.
Ehrmantraut war sauer, dass der Stürmer ihm nicht schon früher Bescheid gegeben hatte.
Neu ins Team rückten Danijel Stefulj und Mourad Bounoua, der auch die Führung erzielte.
Der erste ernsthafte Angriff ergab nach einem Einwurf das 1:0 (42.).
Doch wie in Mannheim verspielte 96 die Führung wieder. In der 49. Minute erzielte Catic
den Ausgleich. Das war auch die erste richtige Chance der Fortunen. Die Partie spielte
sich vor allem im Mittelfeld ab, wo es ein Hauen und Stechen um den Ball gab. 96
passierten dabei "zu viele Fehlpässe im Aufbauspiel", ärgerte sich
Ehrmantraut, "das kostet dann immer viel Kraft, den Gegnern hinterherzulaufen".
Die Fans wird es auch noch viel Kraft kosten, den Abstiegskampf bis Saisonende
durchzustehen.
Die Reaktionen:
96-Trainer Horst Ehrmantraut: Jeder mußte wissen, daß das kein berauschendes Spiel wird. Bei uns haben Kampf, Einsatz und Leistungsbereitschaft gestimmt. Meine Spieler verstehen langsam, was in der zweiten Liga gefordert wird. Das stimmt mich positiv.
Hans Krankl, Trainer Fortuna Köln: Wir haben uns 90 Minuten lang bemüht und das Spiel dominiert, aber keine richtigen Torschancen herausgespielt. 96 hat in der ersten Halbzeit leider ein glückliches Tor gemacht.
96-Chef Martin Kind: Wir haben auswärts einen Punkt gewonnen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
96-Aussichtsrat Martin Biskowitz: In unserer Situation ist ein Punkt wichtig. Jetzt muß ein Sieg folgen.
Hannes Linßen, Sportdirektor 1. FC Köln: Das war ein ganz schwaches Spiel.
96-Kapitän Jörg Sievers: Wir wollten gewinnen, haben das nicht geschafft. Also können wir nicht zufrieden sein.
Sebastian Kehl: Wir haben wieder ein dummes Tor kassiert. Bei uns geht es im Moment nur über den Kampf.
Markus Kreuz: Wir haben sehr diszipliniert gestanden. Nach drei Unentschieden müßten wir aber langsam mal einen Sieg landen.
Daniel Stendel: Kurz nach der Halbzeit so ein dummes Tor zu kassieren, das darf einfach nicht passieren.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Der Fänger. Im ersten
Spiel als Kapitän meist arbeitslos. Fischte aber einen Freistoß von Catic klasse weg.
Mirko Baschetti: Der Schließer. Guter Libero mit Auge. Sah, wo sich
Lücken öffneten, schloss sie rechtzeitig.
Bastian Reinhardt: Der Turm. Wehrt mit seiner Kopfballstärke viele
Angriffe ab.
Danijel Stefulj: Der Beinharte. Einige unglückliche Aktionen, aber hart
und schonungslos - so mag es Ehrmantraut.
Stefan Blank: Der Springer. Ihm versprangen mehrmals langsam anrollende
Bälle bei der Annahme. Wir nehmen mal zu seinen Gunsten an, dass er noch nicht richtig
fit war.
Altin Lala: Der Unergiebige. Rettete einmal im Strafraum, indem er sich
lang machte. Der kleine Altin bringt aber nach vorne zu wenig.
Harald Gärtner: Der Redner. Über Mario Basler hat der frühere
Hertha-Trainer Bernd Stange mal gesagt: "Bis zum Hals weltklasse, darüber
Kreisklasse." Bei Gärtner ist es anders herum: Bis zum Hals Kreisklasse, darüber
Weltklasse. Er redet viel, spielt jedoch schlecht.
Mourad Bounoua: Der Torschütze. Doch auch sein Gegenspieler Catic traf.
Markus Kreuz: Die 96-Dame soll das Spiel lenken. Hannes Linßen,
Sportchef des 1. FC Köln, saß auf der Tribüne. Angeblich will der wahrscheinliche
Aufsteiger Kreuz verpflichten, empfohlen hat sich der 96-Spielmacher aber nicht.
Andrzej Kobylanski: Der Läufer. Rannte wie immer viel zwischen den
Strafräumen herum, aber das brachte 96 nicht weiter.
Daniel Stendel: Der Alleingelassene. Meist einziger Stürmer, hatte eine
Chance (58.), die er vergab.
Steven Cherundolo: Der Starke. Bestätigte nach der Einwechslung die
zuletzt guten Leistungen.
Sebastian Kehl: Der Enttäuschte. Hatte damit gerechnet, dass er von
Anfang an spielt. Kam spät, zeigte mehr Übersicht als die meisten 96-Kollegen.
Salif Keita: Der Last-Minute-Stürmer - bewegte nichts mehr.
(Quelle: Neue Presse, 13.03.00)
Der nächste Gegner: Am 17. März um 19.00 Uhr zu Hause gegen Mainz 05.