Hannover 96 | Saison 1999/2000, 10.Spieltag |
Hannover 96 - Karlsruher SC 1:1 (1:1) |
96: Sievers - Linke - Stefulj, Reinhardt - Lala, Blank (63. Bounoua), Kehl, Kreuz, Kobylanski - Stendel (57. Morinas), Milovanovic / Trainer: Ivankovic
Tore: 1:0 Kehl (16.), 1:1 Meissner (22.) - Schiedsrichter: Hufgard (Mömbris) - Zuschauer: 12 936 - Gelbe Karten: Kobylanski, Kehl
So ein Krampf! 96 muss sich
was einfallen lassen
Nur Kehl trifft, Pagelsdorf sieht es - läuft da wiederwas mit dem HSV?
Das Wort hatte der Weltmeister von 1990: "Es war
heute sicher kein schönes Spiel", urteilte Karlsruhes Sportdirektor Guido Buchwald
nach dem 1:1 bei Hannover 96. Das war sicher keine weltmeisterliche Analyse, aber es traf
den Trend.
Die Partie des Tabellenachten gegen den Dreizehnten war nämlich geradezu hässlich. Der
KSC spielte wie ein Absteiger, und 96 war leider auch nicht viel besser. HSV-Trainer Frank
Pagelsdorf freilich hatte es von der Pressetribüne aus ein wenig anders gesehen. Er fand
das niveaulose Zweitliga-Gekicke "gut. Aber ich sage auch nichts Negatives über
andere Mannschaften". Alles klar? Vielleicht hatte er sich auch einfach nur auf die
Leistung eines einzelnen 96-Profis konzentriert, den er schon im Sommer gerne nach Hamburg
geholt hätte: U-20-Nationalspieler Sebastian Kehl. Pagelsdorf wird dessen Leistung
gefallen haben, auch wenn er nur zu "einer allgemeinen Spielbeobachtung"
gekommen war, wie er betonte. Kehl immerhin gab zu, dass "der Kontakt zum HSV nie
abgerissen" ist.
Der defensive Mittelfeldspieler behielt als einziger Feldspieler neben Libero Carsten
Linke den Durchblick - quasi als Sehender unter vielen Einäugigen im 96-Team.
Markus Kreuz etwa. Hannovers Nummer zehn versteht sich als Spielgestalter, doch gegen den
KSC hat er überhaupt nicht ins Spiel gefunden. Auch Andrzej Kobylanski versuchte sich
vergeblich als Antreiber.
"Wir waren zu verkrampft", beklagte Trainer Branko Ivankovic später. Dabei
schien 96 die Angst vor dem vierten Pflichtspiel ohne Sieg schon in Minute 16
abgeschüttelt zu haben. Da traf Kehl nach einer schönen Kombination über Kobylanski und
Stefan Blank aus zwölf Metern rechts oben zum 1:0. Doch sechs Minuten später war es
vorbei mit dem schönen Gefühl der frühen Führung. Stefan Meissner glich nach einem
Freistoß von Marc Arnold per Kopf zum 1:1 aus. Kobylanski hätte ihn decken sollen, aber
der Pole irrte zwei Meter von Meissner entfernt durch den Strafraum. 96 bemühte sich um
Ordnung, "doch wir haben in der ersten Hälfte zu wenig Druck gemacht", wie
Trainer Ivankovic erkannte. Das änderte sich etwa ab Minute 60. "Da gab es bei uns
keine Entlastung mehr", gestand KSC-Trainer Joachim Löw.
Nützte 96 auch nichts. Das Team hatte zwar die Hoheit im Mittelfeld, richtete aber keinen
Schaden beim Gegner an. "Der Pass in die Spitze kam nicht", ärgerte sich
Ivankovic. 96 agierte ideenlos. Das muss sich in Aachen ändern, sonst gibt es die vierte
Auswärtspleite in Folge.
Die Reaktionen:
96-Trainer Branko Ivankovic: Wir können mit dem einen Punkt nicht
zufrieden sein. Die Angst vor einer weiteren Niederlage hat unser Spiel bestimmt. In den
nächsten Spielen wird es hoffentlich wieder besser.
KSC-Trainer Joachim Löw: Unter dem Strich ist das Ergebnis gerecht. Der
Punkt nach zwei Niederlagen zuvor wird uns Moral und Auftrieb für die Zukunft geben.
Markus Kreuz: Nur ein Punkt aus den letzten drei Spielen - damit können
wir nicht zufrieden sein.
Carsten Linke: Wir kriegen den Ausgleich durch eine Standardsituation und
spielen die zweite Halbzeit auf ein Tor. Da ist das Unentschieden natürlich bitter. Wir
sind trotzdem auf einem guten Weg.
Sebastian Kehl: Die erste Halbzeit war schlecht, aber wir hätten
Karlsruhe schlagen können. Uns fehlt jedoch zur Zeit das Glück. Vom Potential her
können wir oben mitspielen.
Jörg Sievers: Wir haben zu ängstlich gespielt. Zu Hause muß man anders
auftreten, mit mehr Aggressivität und Leidenschaft. Karlsruhe war harmlos.
Karlsruhes Marc Arnold: Unser neuer Trainer hat uns Selbstvertrauen
eingeredet. Wir haben den Punkt verdient.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Schuldlos am Gegentor. Danach arbeitslos. Hätte sich nach
dem Spiel in die Sauna setzen müssen, damit er auch mal ins Schwitzen kommt.
Carsten Linke: Fehlerfreie und starke Partie des Liberos. Der Kapitän
versuchte vergeblich, seine Mannschaft anzutreiben.
Bastian Reinhardt: Ungewohnt viele Stolperer und unglückliche Aktionen
vom Abwehr-Schlaks.
Danijel Stefulj: Steigerte sich in der zweiten Halbzeit. Bissig und einer
der wenigen, der aggressiv in die Zweikämpfe ging. Spielte zwei 30-Meter-Pässe, die
sogar ankamen.
Stefan Blank: Völlig von der Rolle nach der Verletzungspause. In dieser
Form wird er weder erneut zur A-2-Nationalmannschaft eingeladen noch zur Kreisauswahl
Hannover-Land. Bei seiner Auswechslung ausgepfiffen.
Sebastian Kehl: Bestes Saisonspiel. HSV-Trainer Frank Pagelsdorf sollte
immer auf der Tribüne sitzen, er scheint Kehl Beine zu machen.
Andrzej Kobylanski: Er bemühte sich zwar, aber eher dürftig: Augen
runter, Ball am Buß rennt er los, bis ihn spätestens der zweite Gegenspieler stoppt -
kopflos eben.
Altin Lala: Verletzte sich beim Warmmachen am Oberschenkel, spielte dann
aber doch. In der ersten Halbzeit zu ängstlich und unauffällig. Nach der Pause besser.
Markus Kreuz: Soll der Spielmacher sein, war aber nur der Fehlpasskönig.
Sollte zentraler spielen, entzog sich aber immer wieder auf die Außenposition. WEnn er
auf dem Rasen so alt aussieht, entschuldigt der Trainer seine Leistung damit, daß Kreuz
mit 22 noch sehr jung sei.
Daniel Stendel: Zwei gute Szenen zu Beginn, als er sich im Mittelfeld den
Ball erkämpfte. Dann noch eine vergebene Torchance, danach tauchte Stendel ab. Hätte
schon früher ausgewechselt werden können.
Goran Milovanovic: Der Torjäger in der Krise. Die Karlsruher Abwehr gab
der einzigen 96-Spitze keinen Raum, um zuzustechen. Wirkte überfordert.
Igoris Morinas: Mit ihm wurde das Angriffsspiel etwas druckvoller. Hätte
es verdient, mal länger zum Einsatz zu kommen. Dann könnte man sehen, ob er wirklich
alles verlernt hat, was ihn vergangene Saison so torgefährlich gemacht hat.
Mourad Bounoua: Belebend für's 96-Spiel, weil er stets die
Außenposition besetzt. Scheiterte kurz vorm Abpfiff mit einem starken Freistoß, den
Torwart Jentzsch übers Tor faustete.
Hier die Tore online: http://www.stud.uni-hannover.de/~willy/tor96.htm
(Quelle: Neue Presse, 01.11.99)
Der nächste Gegner: Am 5. November um 19.00 Uhr bei Alemannia Aachen.