Hannover 96 | Saison 1999/2000, 7.Spieltag |
Hannover 96 - 1. FC Nürnberg 2:0 (0:0) |
96: Sievers - Linke - Baschetti, Reinhardt - Stefulj, Kehl, Kobylanski, Kreuz, Tumani (62. Stendel) - Bounoua (81. Omodiagbe), Milovanovic (90. Morinas) / Trainer: Ivankovic
Tore: 1:0 Kreuz (60. Foulelfmeter), 2:0 Kobylanski (85.) - Schiedsrichter: Lange (Herrenberg) - Zuschauer: 12 898 - Gelbe Karten: Bounoua, Linke, Kreuz
Ordentliche Arbeit, 96!
Ivankovic baut was auf
Es ist mühsam, Kreuz und Kobylanski treffen gegen zehn Nürnberger
Es war ein mühsamer Abend auf der Baustelle Niedersachsen-Stadion. Hannover 96 lieferte
am Montag gegen den 1. FC Nürnberg 90 Minuten lang ordentliche Arbeit ab. Der Lohn: Ein
2:0 und drei Punkte gegen den neunmaligen deutschen Meister, der allerdings fast eine
Stunde lang in Unterzahl gespielt hatte.
Markus Lösch, der Vorarbeiter in der Nürnberger Abwehr, hatte schon nach 35 Minuten
seinen Dienst beenden müssen. Er hatte nach einem Foul an Andrzej Kobylanski (17. Minute)
Gelb gesehen, als er dann Morad Bounoua an der linken Außenlinie zu Boden schickte, gabs
Gelb-Rot. Zuvor war 96 bereits die bessere Mannschaft gewesen.
Die Abwehr um Libero Carsten Linke hatte den 4,6-Millionen-Mark-Sturm
Hobsch-Beliakov-Feinbier weitgehend im Griff und im Mittelfeld erspielte sich das Team
gegen den Absteiger ein Übergewicht.
Ganz vorne fehlte es aber an Durchschlagskraft, auch wenn Goran Milovanovic gestern im
Blaumann hätte auflaufen können - er ging gewohnt engagiert ans Tagwerk. So gabs in
Hälfte eins keine zwingenden Chancen, die beste hatte noch Bounoua (21.). Dessen
abgefälschter Schuss aus 14 Metern landete aber in den Armen des früheren
Nationaltorhüters Andreas Köpke.
Nach der Pause wollte 96 alles besser machen. Milovanovic holte eine Minute nach
Wiederanpfiff die Kelle raus, doch Köpke hielt wieder. Glatzkopf Milo, gewissermaßen der
Polier der 96-Offensivabteilung, arbeitete weiter mit viel Engagement - und wurde in der
59. Minute belohnt.
Nach einem Zupfer des Niederländers Rene van Eck war er im Strafraum umgefallen,
Schiedsrichter Peter Lange zeigte zum Elfmeterpunkt. Er legte die neue DFB-Richtlinie,
nach der jeder Trikotzupfer bestraft werden soll, zu Gunsten von 96 sehr gewissenhaft aus.
Markus Kreuz verwandelte zum 1:0. Danach verpasste 96 jedoch mehrmals die Vorentscheidung:
Kobylanski (66.), Bounoua (70.) und Kehl (72.) scheiterten freistehend vor Köpke. Und in
Minute 80 gabs noch einen Schreck: Linke fälschte einen Ball ans 96-Lattenkreuz ab.
Was aber war mit Neuzugang Darlington Omodiagbe? Der Nigerianer musste 80 Minuten lang auf
sein Debüt für 96 warten, dann aber wurde er für Bounoua eingewechselt. Fünf Minuten
vor Schluss legte Omodiagbe Mitspieler Kobylanski den Ball vor, der drehte sich wie ein
Brummkreisel um Köpke und schoss zum 2:0 ein.
Da sprang auch Branko Ivankovic, der Architekt der 96-Erfolge, hoch. Er baut Stein auf
Stein am neuen 96-Haus. Zumindest das Fundament steht schon.
Die Reaktionen:
Branko Ivankovic: "Wir haben gewonnen, weil wir 90 Minu7ten dominiert haben. Wir haben viele Chancen gehabt, Nürnberg hatte nur eine Möglichkeit. Wir haben bis zur letzten Minute gekämpft und verdient gewonnen."
Nürnberg-Trainer Friedel Rausch: "Wir hatten uns viel vorgenommen, daraus ist nichts geworden. In der 2. Halbzeit hatten wir das Heft in der Hand, dann wurde aus heiterem Himmel der Elfmeter gepfiffen. Gucken Sie sich das noch einmal im Fernsehen an. Das zweite Tor war Kosmetik. Im Rückspiel wollen wir bei einer besseren Schiedsrichterleistung als Sieger vom Platz gehen."
Sebastian Kehl: "Wir haben verdient gewonnen, uns in der 2. Halbzeit aber schwer getan. Da müssen wir Nürnberg cleverer ausspielen."
Bastian Reinhardt: "Es war kein schönes Spiel, aber es zählen nur die drei Punkte. Wir sind zu Hause auf dem Wege, wieder eine Macht zu werden. Das wird auch für Bielefeld schwer."
Markus Kreuz: "Wir haben auf unsere Chance gewartet. Wir durften nicht blind anrennen."
Jörg Sievers: "Wir haben über 70 Minuten dominiert. Nürnberg hatte zum Schluß auch ein paar Chancen, aber mit zehn Mann hat man auch nichts zu verlieren."
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Trotz Überzahl seiner
Mannschaft mehrmals Retter in höchster Not. Einmal sogar mit dem Kopf weit außerhalb
seines Arbeitsgebietes. Dafür ein Extralob.
Carsten Linke: Libero mit kleinen Patzern. Einige Abspielfehler im
Vorwärtsgang. Die Abwehr stand nicht immer sicher.
Bastian Reinhardt: Der lange Schlaks fädelte mit einem Patzer im
Mittelfeld einen Konter der Nürnberger ein. Gewohnt kopfballstark.
Mirko Baschetti: Nicht immer sicher, ihm versprangen zu viele Bälle.
Danijel Stefulj: Räumte rechts auf, im Vorwärtsgang aber mit
Aussetzern.
Andrzej Kobylanski: Frech, wie er Lösch am Strafraum tunnelte. Auch auf
der linken Seite spielte der Pole super. Kobylanski weiter im Hoch. Erzielte das 2:0 -
stark.
Sebastian Kehl: Wirkte nicht immer hellwach, wachte zu selten auf.
Trottete zu häufig wie unbeteiligt übers Feld. Muß mehr aus der Defensiv-Zentrale
machen.
Markus Kreuz: Spritzig, bemühte sich, das 96-Spiel schnell zu machen.
Viele Direktpässe, mit dem entsprechenden Risiko, beim Gegner zu landen. Den Elfmeter
eiskalt
verwandelt nach seinem letzten Fehlschuß gegen Fortuna Köln.
Ayhan Tumani: Erste Partie von Beginn an, und das merkte man auch. Ihm
fehlte die Bindung. Blöd sein Freistoß von der Strafraumgrenze, der als Vorlage für
Kreuz gedacht
war, aber einen gefährlichen Konter einleitete.
Goran Milovanovic: Bester Angreifer, stark am Ball, holte auch den
Elfmeter raus.
Mourad Bounoua: Schnell mit riesiger Laufarbeit. Wenn 96 mit ihm über
außen angreift, ist es stets gefährlich. Hat aber Nachholbedarf im Torschuß, hätte
einen Treffer erzielen
müssen, einen können.
Daniel Stendel: Noch nicht die erhoffte Verstärkung.
Darlington Omodiagbe: Einstand des Neuen. Die Fans begrüßten
"Omo" mit Sprechchören. Er brachte Schwung und Tempo - das könnte eine echte
Verstärkung werden.
Igoris Morinas: Kam Sekunden vor Schluß und darf auch eine Siegprämie
kassieren.
Nürnberger Zeitung: Der Elfmeter brach dem Club das Genick. Die Schlußphase kann man so beschreiben: 96 gegen Andy Köpke, der sich als einziger Nürnberger in Topform präsentierte.
Nürnberger Nachrichten: Die arg blutleere Begegnung bestätigte jene, die es vorgezogen hatten, daheim zu bleiben.
Süddeutsche Zeitung (München): Nürnberg verpaßte den Sprung an die Spitze. Die Franken konnten ihrem Präsidenten Michael A. Roth drei Tage vor der brisanten Jahreshauptversammlung keine Rückendeckung geben.
Hannoversche Allgemeine Zeitung: Die Hannoveraner haben sich das 2:0 redlich verdient. Zu bemängeln ist, daß die Mannschaft in Überzahl etwas die Ordnung verlor.
Bild (Hannover): Jetzt geht der Aufstiegskampf wieder los. Ex-Tabellenführer Nürnberg von Anfang an chancenlos.
Hier die Tore online: http://www.stud.uni-hannover.de/~willy/tor96.htm
(Quelle: Neue Presse, 5.10.99)
Der nächste Gegner: Am 12. Oktober um 19.30 Uhr zu Hause im DFB-Pokal gegen Arminia Bielefeld.