Hannover 96 | 2. Bundesliga 98/99, 28. Spieltag |
Hannover 96 - Fortuna Köln 3:3 (2:1) |
96: Sievers - Kehl - Linke, Dworschak - Rasiejewski, Addo, Cherundolo, Blank (75. Kobylanski), Hecking (58. Fakaj) - Asamoah (67. N'Diaye), Morinas / Trainer: Gerber
Tore: 1:0 Hecking (10.), 1:1 Brdaric (17.), 2:1 Rasiejewski (34.), 2:2 Dworschak (52., Eigentor), 3:2 Blank (58.), 3:3 Westerbeek (84.) - Zuschauer: 28 003
Die Analyse war kurz und für 96 schmerzlich: Für den Aufstieg ist Hannovers Abwehr zu schwach." Das sagte mit Thomas Brdaric einer, ders wissen muß. Der Angreifer von Fortuna Köln hatte es gestern 90 Minuten mit der 96-Hintermannschaft zu tun. Er schoß ein Tor, bereite eins vor - und nach dem 3:3 fürchten wir: Der Mann könnte Recht behalten.
Doch der Reihe nach. 96 begann druckvoll. Dieter Hecking traf aus zehn Metern links unten zum 1:0 (10.). Gerald Asamoah, gerade zu Niedersachsens Fußballer des Jahres gewählt, hatte Gegenspieler Vardanyan versetzt und von der Grundlinie mit Übersicht zurückgespielt. Die 96-Fans jubelten und machten in Kölns Nummer zehn den früheren Cottbuser Toralf Konetzke aus. Alle auf die zehn", sangen sie - dabei hätten sich Hannovers Spieler eher auf dessen Sturmpartner Brdaric stürzen sollen.
Carsten Linke jedenfalls war allein mit dessen Bewachung überfordert. Er ersetzte den verletzten Mirko Baschetti (Hüftprellung) mehr schlecht als recht. In der 17. Minute kam Linke das erste Mal zu spät, Brdaric glich aus. Die 96-Offensive drohte zu erlahmen, was erste Mißfallenskundgebungen von der Tribüne hervorrief: Aufwachen, Aufwachen!" Der Kapitän hatte das Hallo-Wach-Mittel für seine Mitspieler: Jens Rasiejewski traf mit einem wundervollen Schuß aus 18 Metern in den linken oberen Winkel zum 2:1. Bis zur Pause liefs besser, nur verpaßte 96 bei Chancen durch Morinas (35.) und Asamoah (36.) das 3:1.
Und kurz nach dem Seitenwechsel war erneut Brdaric zur Stelle. Seinen Kopfball lenkte 96-Manndecker Matthias Dworschak unhaltbar ins eigene Tor (52.). Brdaric hat die Fortuna immer wieder zurück ins Spiel gebracht", haderte 96-Trainer Franz Gerber. Doch 96 legte noch einmal vor: Stefan Blank verwandelte einen Freistoß aus 18 Metern zum 3:2 (58.). Fortuna Köln aber schlug erneut durch Libero Oliver Westerbeek zurück (84.) - allerdings nicht ganz regelgerecht, wenn man 96-Torhüter Jörg Sievers glaubt. Der versicherte später, zuvor einen Tritt in den Knöchel" bekommen zu haben. Der Pfiff von Schiedsrichter Burkard Hufgard blieb aus, wie auch vier Minuten später, als Rasiejewski von Younga-Muhani elfmeterreif im Strafraum gefoult wurde.
Da war Asamoah schon lange nicht mehr dabei. In der 64. Minute hatte Fortuna-Torhüter Tomasz Bobel ihn nach einem Solo gestoppt. Der Stürmerstar blieb liegen, mußte mit Krämpfen in den Oberschenkeln drei Minute lang behandelt und mit einer Trage in die Kabine gebracht werden. Möglicherweise ist die Muskulatur geschädigt - fällt Asamoah am Freitag in Düsseldorf aus?
Die Reaktionen:
96-Trainer Franz Gerber: Bei uns gibts keine Festigkeit in der Abwehr. Schade, es tut mir leid für die Fans, daß es nicht zum Sieg gereicht hat. Wer solche Spiele nicht gewinnt, kann nicht aufsteigen.
Kölns Trainer Harald Toni" Schumacher: Meine Mannschaft spielt vor großer Kulisse besser. Wir haben eine Klassemoral bewiesen und hätten gewinnen können.
Carsten Linke: Das war ein klares Foul an Torwart Sievers vorm Ausgleich zum 3:3.
Otto Addo: Wir hätten die Konter gegen Ende konzentrierter spielen und das 4:2 machen müssen. Wenn man aufsteigen will, sollte man eigentlich zumindest zu Hause gewinnen.
Stefan Blank: Die 3:2-Führung hätten wir auf gar keinen Fall mehr aus der Hand geben dürfen. Wir sind selbst schuld, daß es mit einem Sieg nicht geklappt hat.
Steven Cherundolo: Wir waren in der Defensive nicht gut genug.
96-Chef Martin Kind: Solange rechnerisch alles möglich ist, geben wir nicht auf.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Spielte trotz nicht völlig auskurierter Bauchmuskelzerrung. Vorm Ausgleich zum 3:3 gefoult. Der Schiedsrichter sahs nicht, auch die TV-Bilder lösten den Fall nicht auf.
Sebastian Kehl: Schreibt Mittwoch die erste Abi-Arbeit. Fiel als Libero diesmal durch, bestand die Reifeprüfung nicht. Die 96-Abwehr wackelte wie eine Bretterbude im Orkan - und Kehl war Chef, bis Gerber umstellte.
Matthias Dworschak: Sieger im Duell der Glatzköpfe gegen den Ex-Cottbuser Konetzke, der raus mußte. Dworschak patzte beim unglücklichen 2:2 - Eigentor.
Jens Rasiejewski: Traumtor zum 2:1, aber mit vielen Abspielfehlern. Noch einer der Giftigsten, bringt jedoch keine Ruhe in den hektischen 96-Aufbau.
Carsten Linke: Wurde gestern Onkel, weil seine Schwester Bettina einen Sohn (Jonas) geboren hat. Linke hätte besser eine Babypause nehmen sollen. Sein Gegenspieler, der nach Leverkusen wechselnde Brdaric, schoß ein Tor, bereite ein zweites vor.
Steven Cherundolo: Erstmals nach der U-20-WM wieder dabei. Bemüht, aber nervös. Hatte die richtigen Ideen, konnte sie nicht umsetzen.
Dieter Hecking: Für den beim Aufwärmen verletzten Kreuz im Spiel. Ein Tor, auch sonst gut - ein Gewinn. Seine Auswechslung war unverständlich.
Otto Addo: Versuchte viel, aber ihm gelang nichts.
Stefan Blank: Stark, Super-Freistoß zum 3:2.
Igoris Morinas: Zwei Chancen vergeben - der Litauer im Minitief.
Gerald Asamoah: Schön das 1:0 vorbereitet, gute Dribblings.
Ervin Fakaj: Eingewechselt, um Brdaric kaltzustellen. Hatte sogar eine Torchance.
Babacar NDiaye: Kam für Asamoah rein. Versagte wieder.
Andrzej Kobylanski: Kam für den verletzten Blank - ein
Ausfall.(Quelle: Neue Presse, 03.05.99)