Hannover 96 | 2. Bundesliga 98/99, 27. Spieltag |
RW Oberhausen - Hannover 96 1:1 (0:1) |
96: Sievers - Kehl - Baschetti, Dworschak - Rasiejewski, Lala, Addo, Kreuz (66. Linke), Blank (53. N'Diaye) - Seidel (76. Becker), Morinas / Trainer: Gerber
Tore: 0:1 Addo (43.), 1:1 Rus (70.) - Zuschauer: 6 314
Der Pfosten, die Nerven
Hat 96 daran zu knabbern?
Addo trifft und vergibt Entscheidung, Asamoah darf nicht mitspielen
96-Trainer Franz Gerber saß gegen Spielende auf der Lehne einer Holzbank am Spielfeldrand - und starrte gedankenversunken auf die Tartanbahn. Er war verärgert, weil seine Mannschaft den Sieg noch aus der Hand gegeben hatte.
Zwar bleibt 96 unter Gerber auswärts weiter unbesiegt, das 1:1 in Oberhausen jedoch war ein Dämpfer im Kampf um den Aufstieg. "Nach der glücklichen Führung hätten wir cleverer abschließen müssen", kritisierte Gerber. Otto Addo hatte kurz vor der Pause nach einem herrlichen Solo das 1:0 für 96 erzielt.
Judt, Lipinski und Ciuca ließ der Ballzauberer aussteigen, und nach einem Preßschlag mit Torhüter Oliver Adler trudelte der Ball ins Tor. Oberhausen schien angeschlagen, die 2500 Fans aus Hannover zählten den Gegner nach dem Seitenwechsel schon aus - sie sangen vom "Auswärtssieg".
Der K.o. jedoch wollte 96 einfach nicht gelingen. Am nächsten war erneut Addo bei einem weiteren Alleingang dran. Diesmal versetzte er Ciuca und Arens, doch nach einem Lupfer über Adler sprang der Ball vom Pfosten zurück ins Feld (59. Minute).
Weil die Spitzen Seidel und Morinas weitgehend stumpf blieben, verlangten die hannoverschen Fans nach Gerald Asamoah. Der aber saß frustriert auf der Bank. "Ich hätte ihn ja liebend gerne gebracht", verteidigte sich Gerber später, "wir hatten aber schon drei Amateure auf dem Feld." Die da hießen: Addo, Kehl und N'Diaye. Was nur wenige wissen: Auch Asamoah hat bei 96 den Status eines Vertragsamateurs. Einen vierten hätte Gerber nicht einwechseln dürfen.
Daß Oberhausen sich noch mal aufrappeln konnte, lag vor allem an einer Fehlleistung des Altin Lala. Der kleine Albaner ließ Gegenspieler Teo Rus davonlaufen. Rus fiel im Strafraum der Ball vor die Füße - plötzlich standÕs 1:1 (70.). Und in der Schlußphase drohte 96 sogar der Niederschlag.
Doch Torhüter Jörg Sievers, der schon in Hälfte eins phantastisch gegen Weber gerettet hatte, wehrte einen Schuß von Rus (78.) ab, ein weiterer von Gaißmayer traf das Lattenkreuz - so blieb es beim Unentschieden.
"Das ist für gewisse Ambitionen natürlich zu wenig", haderte 96-Trainer Gerber. "Wir hätten hier unbedingt einen Sieg gebraucht." Mit Ambitionen meinte Gerber natürlich die auf den Aufstieg.
Doch dieses Wort mag er offenbar gar nicht mehr so gerne in den Mund nehmen - vermutlich wegen der psychologischen Wirkung auf seine Spieler. Daß die nicht überzeugen konnten, lag "vielleicht an den Nerven und der Situation", wie Gerber vermutete. "Den Leuten wird bewußt, daß sie ja doch ganz oben mitspielen können."
Die Reaktionen:
96-Trainer Franz Gerber: Es war ein sehr kampfbetontes Spiel. Keiner von uns hat hier auf Unentschieden gespielt. Wir sind nicht die gestandene Mannschaft, leider fehlt uns manchmal noch die nötige Cleverneß.
Oberhausens Trainer Aleksandar Ristic: Meine Mannschaft hat super gekämpft, allerdings fehlte es an spielerischer Linie. Wir hatten einige gute Chancen, aber Probleme beim Toreschießen.
Mirko Baschetti: Was den Aufstieg betrifft, ist noch gar nichts entschieden. Wir müssen abwarten, wie Fürth spielt.
Jörg Sievers: Wir müssen mit dem 1:1 hier zufrieden sein. man hätte auch gut und gerne verlieren können.
Otto Addo: Wir hätten in der zweiten Halbzeit unbedingt das 2:0 machen müssen. Das Problem war, daß wir uns zu weit nach hinten haben drängen lassen.
Jens Rasiejewski: Unglückliches Unentschieden für uns.
Altin Lala: Wir haben diesmal hinten nicht so gut gestanden. Nach dem 1:0 hätten wir in der zweiten Halbzeit unbedingt das 2:0 schießen müssen.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Gut, daß 96 einen Sievers im Tor hat. Rettete oft in höchster Not wie beim Kopfball von Weber (30.). Beim 1:1 machtlos.
Sebastian Kehl: Die Spekulationen über einen Wechsel zum HSV oder nach Gladbach haben den 19jährigen offenbar verunsichert. Steigerte sich aber.
Mirko Baschetti: Mußte mit Oberhausens bestem Stürmer Weber die kniffligste Aufgabe lösen. Machte es gut, ließ sich allerdings vorm Ausgleich austricksen.
Matthias Dworschak: Toborg schäumte, weil Dworschak ihm wenig Chancen ließ. Als allerdings der Ex-Kölner Gaißmayer für Toborg kam, lief Dworschak hinterher - Gaißmayer traf in der 87. Minute das Lattenkreuz.
Stefan Blank: Auf links solide, verletzt ausgewechselt (53.)
Jens Rasiejewski: Schwaches Spiel des Kapitäns. Im Vorwärtsgang mit vielen Fehlern. Will immer wieder die Freistöße ausführen, macht das aber miserabel.
Markus Kreuz: Wenn es eine Liste der Ausfälle bei 96 gibt, muß man als erstes ein Kreuz hinter Kreuz machen - das war nichts. Hatte Glück, daß er bis zur 66. Minute mitspielen durfte.
Altin Lala: Oh, Lala, das durfte nicht passieren. Der Albaner war schuld am 1:1, weil er seinen Gegenspieler Rus davonziehen ließ. Ein Kurzschluß in entscheidener Situation.
Otto Addo: Klassesolo vorm 1:0, auch wenn das Tor glücklich fiel, denn Torwart Adler schoß ihn an. Bei einer Kopie der Situation in der zweiten Halbzeit sprang der Ball vom Innenpfosten auf die Torlinie.
Igoris Morinas: Nicht so stark wie zuletzt. Hatte Pech bei einem Lattenknaller, ein 16-Meter-Schuß ging knapp vorbei. Mehr war nicht drin.
Sören Seidel: Bekam den Vorzug vor Asamoah, weil der Ex-Bremer ein Knipser ist. Seidel fand diesmal aber den Schalter nicht. Half oft in der Abwehr aus, bereitete eine Morinas-Möglichkeit gut vor. Vor dem Tor aber chancenlos.
Babarcar N'Diaye: Kam für Blank auf der linken Seite, weil Gerber einen kopfballstarken Abwehrspieler brauchte. Er enttäuschte.
Carsten Linke: Für Kreuz eingwechselt. Ordentliche Leistung.
Matthias Becker: Für Seidel im Spiel. Bemüht.
(Quelle: Neue Presse, 26.04.99)