Hannover 96 | 2. Bundesliga 98/99, 25. Spieltag |
FC St. Pauli - Hannover 96 0:2 (0:1) |
96: Sievers - Kehl - Baschetti, Dworschak - Rasiejewski, Lala, Addo, Kreuz, Blank - Seidel (88. Linke), Morinas (84. N'Diaye) / Trainer: Gerber
Tore: 0:1 Kehl (41.), 0:2 Morinas (55.) - Zuschauer: 15 502
96 ist oben dran. Im früheren Freudenhaus am Hamburger Millerntor
feierten 2000 hannoversche Fans einen 2:0-Erfolg gegen den FC St. Pauli. Jetzt sind's nur
noch sieben Punkte Rückstand auf einen Aufstiegsplatz. Da geht plötzlich wieder was.
Gerald Asamoah machte vorm Spiel einen Abstecher aufs Heiligengeistfeld zum
Frühlingsfest. Der Stürmerstar ließ sich ein Fischbrötchen schmecken und prophezeite,
"daß wir's heute packen". Asamoah jedoch konnte wegen seiner schmerzhaften
Schienbeinverletzung nicht mithelfen. Als Zuschauer saß er schon in Hälfte eins
gewissermaßen in der Achterbahn der Gefühle.
Die abstiegsbedrohten "Tor- Schlaffis" von St. Pauli (erst acht Saisontore
daheim) wollten mit 96 Karussell fahren und hatten auch zunächst die besseren Chancen.
Doch Hannovers Schlußmann Jörg Sievers machte sie in seinem Jubiläumsspiel (Nummer 333
für 96) alle zunichte. In der 24. Minute rettete er gegen den Ex-Wolfsburger Dragan
Stevanovic. Dann scheiterte Steffen Karl mit einem eisenharten Schuß aus 19 Metern (29.).
Und auch Markus Lotter verzweifelte am 96-Torhüter, der seinen Schuß aus sechs Metern
mit der Faust parierte. Sievers verhinderte die St.-Pauli-Führung, das 96-Tor hätte nach
einem 0:1 zur Schießbude werden können. Hannovers Aufsteiger ließen sich von dem
Rummel, den die Kiez-Kicker und 15502 Zuschauer (Saisonrekord) am Millerntor
veranstalteten, nicht verunsichern. Im Gegenteil: Kurz vor der Pause (41.) köpfte
Sebastian Kehl nach einer Ecke das 1:0 für 96.
Die zweite Hälfte mußte den Hamburger Fans vorkommen wie eine Fahrt in der Geisterbahn.
Igoris Morinas ließ sie erstmals wieder hochschrecken, als er in der 55. Minute rechts
unten zum 2:0 für 96 traf. Kreuz und Seidel hatten die Vorarbeit geleistet. Und die
St.-Pauli-Anhänger mußten weiterzittern. Ihre Mannschaft griff kopflos an, Hannover
konterte geschickt. Kreuz, Rasiejewski, Seidel und Addo hätten das Spiel früh
entscheiden können. Es blieb jedoch beim 2:0. 96 sorgte dafür, daß beim Gegner weiter
das Abstiegsgespenst umherschwirrt.
Die Spieler faßten sich nach Spielschluß an die Hände und bejubelten gemeinsam mit den
Fans den Auswärtssieg.
Energie Cottbus (nächster Gegner am Freitag) kann kommen. Dann will auch Asamoah
"wieder dabei sein, denn da habe ich noch eine Rechnung offen".
Die Reaktionen:
Franz Gerber: "Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis und dem Spiel meiner Mannschaft, die kämpferisch und läuferisch überzeugt hat und auch spielerisch zu gefallen wußte. Wir wollten nach der Winterpause alles tun, um nichts mehr mit dem Abstiegskampf zu tun zu haben. Jetzt haben wir das mit 40 Punkten geschafft und dürfen nach oben gucken. Mal sehen, was da noch möglich ist. Wir haben nichts mehr zu verlieren."
Will Reimann (Trainer FC St. Pauli): "Wir haben verdient verloren. Beim 0:1 durch eine Standardsituation hat die Zuordnung in der Abwehr nicht gestimmt. 96 war schneller, nicht nur mit den Beiden sondern auch mit dem Kopf. Durch die Niederlage sind wir wieder in den Abstiegskampf hineingezogen worden. Jetzt geht das Geschrei wieder los."
Martin Kind: "Ich hoffe, daß die Fans am Freitag diese Leistung honorieren und gegen Cottbus mindestens 20.000 Zuschauer kommen. Was in der Meisterschaft noch möglich ist, muß man abwarten. Wir wollen keinen Druck aufbauen."
Sebastian Kehl: "Ich bin glücklich, ein Tor gemacht und 2:0 gewonnen zu haben. Der Sieg ist wichtiger, als meine persönlichen Angelegenheiten. Das ändert aber nichts an den Eckdaten für meine Zukunft."
Otto Addo: "Das 0:1 fiel glücklich, weil St. Pauli Druck machte. Im Endeffekt ist das Ergebnis gerecht. Es hätte sogar noch höher ausfallen können."
Stefan Blank: "Wir haben ein gutes Spiel gemacht. Jörg Sievers hat sensationell gehalten."
Altin Lala: Wenn wir so weitermachen, ist in Sachen Aufstieg noch was drin.
Matthias Dworschak: Unsere Fans haben uns hier phantastisch unterstützt.
Jörg Sievers: Wenn wir am Freitag nun auch noch gegen Cottbus gewinnen, schauen wir noch einmal auf die Tabelle.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Super-Colt. Schoß in der 38. Minute aus
dem Tor, verhinderte den Rückstand gegen Lotter.
Sebastian Kehl: Anfangs nervös, dann ein starker offensiver Libero.
Köpfte das 1:0. Der Mann will nach Gladbach - 96 sollte ihn nicht lassen.
Matthias Dworschak: Neue Chance für den Manndecker. Bekam von
Gegenspieler Karaca mit Karacho einen Tritt gegen den Glatzkopf. Dworschak leistete sich
keinen Fehltritt.
Mirko Baschetti: Manndecker gegen den im 96-Probetraining druchgefallenen
Stevanovic. Stellte ihn kalt.
Stefan Blank: Saubere Leistung auf links. Glänzt immer öfter.
Markus Kreuz: In der zweiten Halbzeit gut, bereitete das 2:0 vor.
Jens Rasiejewski: Meist im Mittelfeld, ließ sich auf den Liberoposten
zurückfallen, wenn Kehl stürmte. Energisch.
Altin Lala: Erst so la la, dann oh la la.
Otto Addo: Der Ex-Hamburger war bei Kontern immer gefährlich.
Ausgangspunkt vieler Torchancen. Obwohl sein Wechsel nach Dortmund perfekt ist, hängt er
sich voll rein.
Sören Seidel: Erstmals von Beginn an im Einsatz. Kann es noch besser.
Igoris Morinas: Stark am Ball, immer mit einem Blick für den Mitspieler.
Machte mit dem 2:0 alles klar.
Babacar N'Diaye: Eingewechselt (84.), machte nichts falsch.
Carsten Linke: Seine Einwechslung (89.) half ebenfalls, Zeit zu schinden.
(Quelle: Neue Presse, 13.04.99)