Hannover 96 | 2. Bundesliga 98/99, 23. Spieltag |
SSV Ulm 46 - Hannover 96 1:1 (0:0) |
96: Sievers - Rasiejewski - Baschetti (26. Cherundolo), Dworschak (77. Fakaj)- Lala, Addo, Linke, Kreuz, Blank (66. N'Diaye) - Asamoah, Morinas / Trainer: Gerber
Tore: 0:1 Blank (56.), 1:1 Gora (88.) - Gelb-Rote-Karte: Addo - Zuschauer: 7 000
96 spielt alles oder nichts, am Ende ist's zu
wenig
Großer Kampf mit zehn Mann, ein Punkt reicht nicht für die Spitze
Was für ein Kampf. Zehn Hannoveraner verteidigten tapfer das knappste
aller Ergebnisse. Sie waren kurz davor, die Ulmer "Spatzen" zu rupfen. Im
dritten Auswärtsspiel unter dem neuen Trainer Franz Gerber sah's nach dem dritten Sieg
aus. Dann fiel aber doch noch das 1:1 im Donau-Stadion, was Kapitän Jens Rasiejewski und
seiner Besatzung den Weg Richtung Aufstiegsplätze versperrt.
"Hopp oder top - ein Unentschieden bringt uns nichts", hatte Gerber kurz vorm
Anpfiff das Geheimnis um seine neue Taktik gelüftet. Der Bayer orientierte sich dabei am
großen FC Bayern: "Wir spielen fast mit drei Spitzen." Als da waren: Gerald
Asamoah, Igoris Morinas und - Otto Addo. Hinter den Spitzen hatte 96 mit Mittelfeld-As
Markus Kreuz einen weiteren Trumpf.
Doch Gerbers Versuch, bei Hannovers Fans noch mal so etwas wie Aufstiegsträume zu wecken,
funktionierte zunächst überhaupt nicht. Die Ulmer - deren neuer Coach Rolf Baumann baute
weiter auf die ballorientierte Gegnerdeckung seines Vorgängers Ralf Rangnick - spielten Einbahnstraßenfußball.
Und 96-Torwart Jörg Sievers mußte den Verkehrsfluß ein ums andere Mal im letzen Moment
stoppen. Heilig's Blechle.
In der neunten Minute hatte Sievers allerdings Glück: Nach dem Schuß von David Zdrilic
rutschte der Ball Hannovers Schlußmann durch die Beine und landete am Pfosten. Weitere
Ulmer Chancen vergaben zweimal Sascha Rösler per Freistoß sowie Janusz Gora. Seinen
Kopfball parierte Sievers prächtig (24.).
Und was machte 96? Nur einmal, nach einem schönen Angriff über Kreuz und Addo, kam
Asamoah frei zum Schuß - zielte aber knapp daneben (38.). Hauptsächlich war das Team
aber damit beschäftigt, den Ball zu entsorgen, sprich: unkontrolliert nach vorne zu
bolzen. Die Abwehr wackelte bedenklich. Obendrein mußte Gerber den verletzen Mirko
Baschetti nach 26 Minuten vom Platz nehmen und Steven Cherundolo an die Arbeit bitten. Der
Amerikaner rückte auf Baschettis Manndeckerposition.
Als der Schneeregen in Ulm aufgehört hatte, fiel wie ein Blitz aus heiterem Himmel das
1:0 für 96. Stefan Blank, bis dahin nicht gerade ein Lichtblick, traf mit einem Freistoß
(56.). Morinas war irgendwie auch beteiligt - er hatte Torwart Philipp Laux irritiert.
Wenig später hätte Asamoah alles klarmachen können, scheiterte aber an Laux. Es wurde
eng für 96, weil Addo wiederholt gefoult haben sollte und dafür Gelb-Rot sah. Mit Glück
und Geschick kam Gerbers Zehn über die Runden - bis zur 88. Minute. Dann traf Gora zum
letztlich verdienten 1:1.
Die Reaktionen:
96-Vorstandschef Martin Kind: Traurig, daß wir so kurz vor Schluß noch den Ausgleich kassiert haben. Trotzdem war es ein Erfolg. Wir sind unserem Ziel, einen oberen Tabellenplatz zu erreichen, nähergekommen.
96-Trainer Franz Gerber: Es ist nicht clever, wenn man den Sieg kurz vor Schluß aus der Hand gibt. Ulm war zwar überlegen, aber bei uns fiel dann Baschetti aus - außerdem war der Platzverweis unberechtigt. Mit Otto Addo hätten wir das Ding nach Hause gebracht. Mir wäre es lieber gewesen, wenn Ulm den Trainer nicht ausgewechselt hätte. Das hat ihnen einen Schub gegeben.
Ulms Trainer Rolf Baumann: Ich ziehe den Hut vor meiner Mannschaft. Wenn ein Team wie Hannover soviel Glück hat - na gut, dann können die auch einen Punkt mitnehmen. 96 hatte nicht den Hauch einer Chance.
96-Torwart Jörg Sievers: Wir machen uns immer alles selbst kaputt. Wir haben zwar schlecht gespielt, aber die Punkte dennoch verschenkt. Da braucht man über den Aufstieg gar nicht mehr zu reden.
Dieter Hecking: Ein glücklicher Punktgewinn, auch wenn's am Ende unglücklich war.
Carsten Linke: Wir hatten eigentlich nur eine richtige Torchance. Da muß man mit dem Punkt zufrieden sein. Trotzdem ist's ärgerlich. Wir müssen jetzt weiter von Spiel zu Spiel denken.
Otto Addo: Schon meine erste gelbe Karte muß man nicht geben. Und der Platzverweis war unberechtigt. Ich habe meinen Gegenspieler gar nicht berührt. Trotzdem habe ich der Mannschaft geschadet. Das Unentschieden geht auf meine Kappe.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Ließ in der ersten Minute einen Ball fallen, zeigte danach noch eine Unsicherheit. Steigerte sich aber, war der Turm in der Abwehrschlacht. Rettete oft hervorragend wie beim Freistoß von Trkulja (64.).
Jens Rasiejewski: Kapitän auf einem schwankenden Kahn. Der Libero konnte der wackelnden Abwehr nicht immer Halt geben.
Matthias Dworschak: Schwer unter Druck gegen Toptorjäger Trkulja, der auch noch einen Kopf größer war. Das war haarig für den Glatzkopf.
Mirko Baschetti: Manndecker mit Problemen gegen Zdrilic, mußte verletzt raus.
Steven Cherundolo: Kam für Baschetti, übernahm auch dessen Gegenspieler. Bildete mit Dworschak wohl das kürzeste Manndeckerdoppel der zweiten Liga. Die kleinen 96er zogen bei Kopfballduellen den Kürzeren.
Altin Lala: Bewacher von Gora. Kam meist zu spät, viele Fehlpässe. Das war nicht mal so lala, sondern schwach.
Stefan Blank: Das war gar nix. Seine Mitspieler zogen blank, wenn sie ihn auf der linken Seite anspielten - da hätten sie genau so gut gleich einem Ulmer den Ball geben können. Gerber wechselte ihn nur nicht aus, weil er den längsten 96-Profi bei Kopfballduellen brauchte. Aber dann schoß Blank das 1:0.
Carsten Linke: Wacker im rechten Mittelfeld, verlor aber zum Schluß Ulms Torschützen aus den Augen.
Markus Kreuz: Versuchte Ordnung in das Durcheinander zu bringen. Gute Vorlagen.
Otto Addo: Hat aus der Kritik von Gerber gelernt, spielte schneller ab. War früh verwarnt worden, sah dann nach einem ungeschickten Foul Gelb-Rot - eine harte Entscheidung.
Gerald Asamoah: Vergab freistehend zwei gute Chancen. Holte aber den Freistoß heraus, der zum 1:0 führte.
Igoris Morinas: Bester 96-Angreifer. Wenn er am Ball war, ging mal was nach vorn.
Babacar N'Diaye: Kam für den schwachen Blank. Hielt sich tapfer auf links hinten.
Ervin Fakaj: Sein erstes Punktspiel, hatte den ebenfalls eingewechselten Coulibaly im Griff.
(Quelle: Neue Presse, 20.03.99)