Hannover 96 | 2. Bundesliga 98/99, 2. Spieltag |
Arminia Bielefeld - Hannover 96 0:1 (0:1) |
96: Sievers - Hecking - Linke, Baschetti - Reinhardt, Rasiejewski, Blank (70. Kehl), Addo (46. N'Diaye), Kreuz - Kobylanski, Asamoah (67. Gerber) / Trainer: Fanz
Tore: 0:1 Blank (9.) - Zuschauer: 15 154
Das war spitze. 96 hat gestern auf der Bielefelder Alm zum Höhenflug in Liga zwei angesetzt. 1:0 bei Arminia, der zweite Sieg im zweiten Spiel - und wieder gegen einen Absteiger. Ein Traumstart, Hannover steht auf Platz drei.
Vorm Almauftrieb gabs offenbar neuen Ärger um Otto Addo. Bielefeld soll ein Ultimatum gestellt haben. Die Forderung: 96 sollte bis 15 Uhr erklären, daß Addo am Abend nicht spielt. Arminia hatte angeblich mit einer einstweiligen Anordnung gedroht. Manager Rüdiger Lamm bestätigte: Wir haben die Sache einem Rechtsanwalt übergeben." Hannover hatte allerdings vorbeugend Einspruch beim DFB eingelegt. Addo durfte mitmachen. Der Mittelfeld-Zauberer war durch den Wirbel zusätzlich motiviert". Lamm wolle er es zeigen", gegen die Arminen habe er aber nichts, sagte er vor der Partie.
Bielefelds Jörg Böhme hatte aber offenbar etwas gegen Addo, grätschte ihn schon nach vier Minuten an der Außenlinie um und sah Gelb. Die Arminen-Fans bejubelten jede Attacke gegen Hannovers Antreiber - es sollte nicht die letzte gewesen sein. In der neunten Minute war der Spaß für die heimischen Zuschauer vorbei. Der lange Stefan Blank köpfte nach einer Rückzieher-Flanke von Andrej Kobylanski zum 0:1 ein. Zwei Minuten später hätte Böhme mit einem Freistoß beinahe den Ausgleich erzielt, doch 96-Torhüter Jörg Sievers faustete stark. Arminia machte weiter Druck, besonders Angreifer Giuseppe Reina bereitete Hannovers Hintermannschaft Probleme. Dann aber bekam sein Mitspieler Böhme Schwierigkeiten mit Schiedsrichter Hermann Albrecht, als er auch Asamoah foulte. Böhme sah Geld-Rot, 96-Kapitän Jens Rasiejewski schoß den Freistoß an die Latte. 96 bekam das Spiel trotzdem nicht in den Griff. Bielefeld vergab Chancen durch Reina (33., 45.) und Maul (42.).
Für Addo war das Spiel nach 45 Minuten vorbei, er konnte nicht mehr. Babacar NDiaye kam für ihn rein. Bielefelds Fünf-Sterne-Koch" (Westfalen-Blatt) im Tor mußte sich wenig später strecken. Rasiejewski hatte Georg Koch die Suppe mit einem Freistoß aus 20 Metern eingebrockt.
Als auch Asamoah (67.) und Blank (70.) runtergingen, die Talente Fabian Gerber und Sebastian Kehl kamen, gabs einen Bruch im Spiel der 96er. Doch Bielefeld ließ auch allerhand beste Chancen durch Reina (73.), Bruno Labbadia (75.) und Michael Sternkopf (88.) ungenutzt. Und als der vermeintliche Ausgleich durch Labbadia wegen Abseits abgepfiffen wurde, war klar: 96 hat das Glück des tüchtigen Aufsteigers.
Reaktionen:
Bielefelds Trainer Ernst Middendorp: Das frühe Gegentor hat uns aus einem Spielfluß gebracht, der bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht dagewesen ist. Wir sind lange stumpf geblieben.
96-Trainer Reinhold Fanz: Wir sind glücklich. Ziel war, nach vorne zu spielen. Das ist uns teilweise gelungen. Wir haben erstmals vor großer Kulisse auswärts gespielt, da haben bei unseren jungen Spielern die Nerven nicht immer mitgespielt. Mit Reinhardt und vor allem Baschetti war ich außerordentlich zufrieden. Addo hatte Probleme mit der Hüfte.
Stefan Blank: Das war mein erstes Spiel für 96 von Anfang an, und dann schieße ich gleich das entscheidende Tor. Das ist Wahnsinn.
Gerald Asamoah: Das war einfach, nur zum Schluß ist es ein bißchen hektisch geworden.
Dieter Hecking: Wir spielen nicht mehr gegen Delmenhorst, da ist es ganz logisch, daß man unter Druck gerät. Allerdings müssen wir mit elf gegen zehn noch souveräner spielen.
Jörg Sievers: Wenn man bei einem Bundesliga-Absteiger gewinnt, ist das Klasse.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Mister Zuverlässig überließ nichts dem Zufall. Betätigte sich diesmal nicht als gefürchteter Fußwerker, sondern konzentrierte sich ganz auf erstklassige Handarbeit. Bemerkenswert vor allem seine Parade in der ersten Halbzeit nach einem Böhme-Freistoß.
Dieter Hecking: Der erfahrenste Hannoveraner mit dem Schnapszahl-Alter (33) behielt als Libero meistens einen klaren Kopf.
Carsten Linke: Im Vergleich zu Reina ungefähr so schnell wie Michael Schumacher mit Kies auf dem Anhänger. Um so erstaunlicher, daß Bielefelds gebürtiger Italiener nicht so recht an Linke vorbeikam.
Mirko Baschetti: Alles paletti. Kämpfte sowohl gegen Labbadia als auch gegen Reina vorbildlich. Überragend.
Jens Rasiejewski: Erledigte als Staubsauger im Mittelfeld die Drecksarbeit. Obendrein torgefährlich bei Freistößen. Formidable.
Stefan Blank: Eine blitzeblanke Leistung des Neuzugangs aus Wattenscheid. Riesig der Kopfballtreffer des 1,92 Meter großen Profis. Und Bananen-Flanken beherrscht er auch noch. Das macht Appetit auf mehr.
Bastian Reinhardt: Behielt nicht nur wegen seiner Größe (1,93 Meter) die Übersicht.
Otto Addo: Das fand Otto gar nicht gut. Er mußte auf der Alm durch die Hölle gehen und zur Halbzeit raus. Zum Teufel noch mal.
Markus Kreuz: Der Linksfuß, der über rechts kommt, ist nach vorn kreuzgefährlich. Mußte auch hinten aushelfen. Hat gut geklappt.
Andrzej Kobylanski: Der Endverbraucher lebt von den Vorlagen seiner Mitspieler. Weil der Pole aber alles andere als ein Egoist ist, traf er bei seiner besten Aktion mit einer Flanke genau den Kopf des Kollegen Blank. Damit war das Spiel entschieden.
Gerald Asamoah: Junge Junge - schon wieder dieser Boy. Der Ex-Braunschweiger spielt nun für Bielefeld - so trifft man sich wieder. Käse war, daß sich Asamoah in Zweikämpfen aufrieb. .Aber er machte damit oft den Weg für seine Kollegen frei. Und wurde immer besser, bis er verletzt ausschied.
Babacar NDiaye: Spitze. Das war die Position, die Air Baba" in der zweiten Halbzeit spielte. Keine Luftnummer des Teilzeitarbeiters.
Fabian Gerber: Der Sohn des 96-Sportdirektors kam für Asamoah. Nervosität ist für den 18jährigen ein Fremdwort.
Sebastian Kehl: Kam für Blank und spielte wie Gerber junior.
Neue Westfälische (Bielefeld): Überraschende 0:1-Niederlage gegen Hannover 96. Arminia stolpert bereits früh. In seiner Einschätzung "keinesfalls unverdient" die Punkte mitgenommen zu haben, durfte sich 96-Trainer Reinhold Fanz sogar von Ernst Middendorp bestätigen lassen.
Hannoversche Allgemeine: Zweites Spiel, zweiter Sieg. Hannover 96 sorgt weiter für Furore. Wer als Neuling gegen zwei Topfavoriten nicht mit Glück, sondern mit einer gehörigen Portion Können und Klasse gewinnt, der darf ruhig ein bißchen stolz sein.
Bild (Hannover): Wahnsinn! 96 stürmte die Alm. Diese Elf hat Zukunft. Und schon eine glänzende Gegenwart.
Sport-Informationsdienst: Hannover hatte nur wenige Probleme, zumal die Anwehr äußerst sicher agierte.
Deutsche Presseagentur: Die Bielefelder boten eine schwache Vorstellung. Hannover 96 diktierte zeitweise das Spiel
(Quelle: Neue Presse, 11.08.98)