Hannover 96

2. Aufstiegsspiel


Hannover 96 - Tennis Borussia Berlin 2:0 n.V. 3:1 n.E.


96: Sievers - Ernst - Eigner (70. N'Diaye), Linke - Reinhardt, Rasiejewski, Hecking, Kreuz, Addo (24. Brezina) - Bicici (61. Milovanovic), Asamoah

Tore: 1:0 Asamoah (7.), 2:0 Milovanovic (84.) - Elfmeterschießen: 0:1 Raickovic, 1:1 Ernst, Sievers hält gegen Akrapovic, 2:1 Linke, Isa schießt daneben, 3:1 Kreuz, Sievers hält gegen Copado - Zuschauer: 50.000


96 wunderbar, Sievers vernaschte die Berliner
Was für ein Krimi - seit 22.57 Uhr ist Hannover wieder in Liga zwei

Es ist wahr: 96 zurück in der zweiten Liga. Gestern um 22.57 Uhr war das kleine Wunder perfekt - und Jörg Sievers wieder einmal der Held. Dank des überragenden Torhüters gewann 96 das zweite Aufstiegsspiel gegen Tennis Borussia Berlin mit 5:1 nach Elfmeterschießen. Nach 120 Minuten hatte es 2:0 für Hannover gestanden, Rückstand aus der ersten Partie ausgeglichen. 50 000 waren aus dem Häuschen.

Das Spiel begann mit einer Überraschung. In letzter Minute hatte 96-Trainer Reinhold Fanz seine Aufstellung geändert. Volkan Arslan und Jürgen Degen blieben draußen, Bastian Reinhardt und der zuletzt aus dem Kader verbannte Hakan Bicici durften von Beginn an mitmachen. 96 nach dem 0:2 in Berlin am Boden, aber es brodelte im Niedersachsen-Stadion. "Steht auf, wenn Ihr Rote seid", sangen die Fans.

Fast schien es so, als sollten sie erneut enttäuscht werden. Denn die Hauptstädter tauchten schon in den ersten Minuten zweimal gefährlich vor Hannovers Schlußmann Jörg Sievers auf. Dann aber flog der erste Ball in Richtung TB-Tor - die Berliner Mauer (nur sieben Gegentore in 34 Regionalliga-Spielen) fiel dank des Flugkopfballtreffers von Gerald Asamoah (7. Minute). Die so wichtige frühe Führung war da.

Dann kam Hektik ins Spiel. Hannovers Dieter Hecking und Berlins Dejan Raickovic rangelten um den Ball. Der Ex-96er Raickovic wurde immer wieder ausgepfiffen, weil er bei Freistößen das Spiel verzögerte. Und Gästestürmer Ilija Aracic wollte einen Platzverweis für 96 provozieren. Er fiel, obwohl ihn Torwart Sievers gar nicht berührt hatte - aber der Schiedsrichter nicht darauf hinein. Jürgen Aust zeigte sowohl Aracic als auch dem fuchsteufelswilden Sievers die gelbe Karte (37.). Es brodelte weiter, dann war Zeit, die Gemüter abzukühlen.

Nach der Halbzeitpause wurde Tennis Borussia offensiver. Allerdings agierte das Team wesentlich passiver als beim Hinspiel im Mommsenstadion - war’s die Nervosität nach dem schnellen Rückstand? Mehr als einmal konnten die Berliner den Torschützen Asamoah nur mit brutalen Fouls stoppen. Ein zweiter Treffer mußte her, damit’s zumindest in die Verlängerung gehen konnte.

Die Zuschauer verlangten nach "Milo, Milovanovic". Hannovers Toptorjäger (22 Saisontreffer) war im Gegensatz zum Hinspiel dabei - wenn auch nur auf der Reservebank. Der sensible Serbe kam nach einer Stunde für Bicici ins Spiel.

Fortan geriet TB noch mehr unter Druck. Und 96-Coach Fanz riskierte alles, brachte Offensivmann Babacar N’Diaye für Manndecker Bernd Eigner. Dieser Mut wurde belohnt. Es traf, mit einem wunderschönen Fallrückzieher - natürlich Milovanovic. Ein Fußballmärchen. Die Stimmung kochte über. Zusammengerechnet stand’s nun 2:2 - Verlängerung.

Zur Erinnerung: TB hatte in der gesamten Drittliga-Saison nie zwei Gegentreffer in einem Spiel kassiert. Trainer Hermann Gerland, genannt "Tiger", fauchte am Spielfeldrand. Es passierte nicht mehr viel. Abgesehen von einem offenbar nicht regulärem Tor der Berliner und der Tatsache, daß 96 in Unterzahl weiterspielen mußte (Damian Brezina verletzt, schon dreimal ausgewechselt).

Also Elfmeterschießen. Da trafen alle hannoverschen Schützen nervenstark ins Netz, drei Berliner versagten. Dann ging die Aufstiegsparty richtig los. Es gab Ehrenrunden ohne Ende, und die Fans sangen dazu: "Oooooooh, wie ist das schön".

1. Halbzeit:

2. Minute: Berlins Copado scheitert an Sievers.

4. Minute: Schrecksekunden für 96 - TB-Stürmer Kreso Kovacec köpft knapp vorbei.

7. Minute: Das frühe Tor - Markus Kreuz flankt von links, Gerald Asamoah fliegt heran und köpft zum 1:0 ein.

15. Minute: TB-Torwart Goran Curko schießt Asamoah an, der verstolpert.

20. Minute: Kreuz zieht mit links aus 18 Metern ab, doch Curko hält.

23. Minute: Otto Addo muß verletzt raus. Für ihn kommt Damian Brezina.

36. Minute: Aracic ist auf links frei durch. Sievers stürmt aus seinem Tor, außerhalb des Strafraums fällt der Berliner theatralisch hin. Sievers bekommt trotzdem Gelb, regt sich auf.

 

2. Halbzeit:

46. Minute: Aracic legt für Copado auf, dessen Aufsetzer hält Sievers.

49. Minute: Hecking versetzt seinen Gegenspieler, zieht sofort ab. Curko ist mit den Fingerspitzen dran.

52. Minute: Asamoah fummelt sich durch, wird an der Strafraumgrenze von Raickovic gelegt - Gelb.

62. Minute: Dieter Hecking nimmt den Ball volley. Curko klärt mit tollem Reflex.

67. Minute: Tolles Solo des schnellen Brezina. Im Strafraum legt er für Asamoah auf. Der trifft nicht richtig.

76. Minute: Konter über den eingewechselten Adler - Sievers hält.

84. Minute: Das 2:0. Ernst flankt, Linke köpft in Berlins Strafraum. Joker Milovanovic trifft per Fallrückzieher.

 

Verlängerung:

93. Minute: Adler taucht frei vor Sievers auf - Fußabwehr.

99. Minute: Chance für N’Diaye, er verfehlt nur knapp.

108. Minute: Chance für Copado, Rasiejewski rettet.

111. Minute: Brezina hat Krämpfe, muß raus.

116. Minute: Kopfball-Tor von Adler wird nicht gegeben.

 

So waren die Spieler in Form:

Jörg Sievers: Der Held im Aufstiegsdrama. Hielt die Elfmeter von Akrapovic und Isa. Startete in der ersten Hälfte eine riskante Abwehraktion an der Seitenlinie gegen TB-Stürmer Aracic, der sich fallen ließ - Gelb für beide.

Fabian Ernst: Offensiver und aggressiver als in Berlin. Oft Abfangjäger vor der Abwehr, dirigierte die Angriffe.

Bernd Eigner: Quälte sich wieder mit einer Knieverletzung über den Rasen. Erneut gegen Aracic wie am Donnerstag. Hatte den TB-Angreifer meist im Griff. Eigner war gut geeignet für seine Aufgabe.

Carsten Linke: Diesmal gegen seinen Ex-Kollegen Kreso Kovacec. Hatte Glück, daß er nicht schon in der Anfangsphase nach einer harten Attacke Gelb sah. Klärte bei einigen kribbeligen Situationen knapp vor Kovacec.

Jens Rasiejewski: Viel effektiver als in Berlin. Am Donnerstag Manndecker gegen Kovacec, diesmal im defensiven Mittelfeld gegen Ex-HSV-Profi Copado, der in Berlin Linke schwindelig gespielt hatte. Soldat Rasiejewski stand seinen Mann, stellte Copado kalt.

Markus Kreuz: Lief und lief und lief - aber diesmal nicht wie im Hinspiel die linke Seite hoch und runter, sondern im zentralen Mittelfeld. Gab die Vorlage zum 1:0, behielt im Elfmeterschießen die Nerven und traf als dritter 96-Schütze. Am Donnerstag mies, gestern abend ein Top-Mann.

Bastian Reinhardt: Kurzfristig ins Team gerutscht für Volkan Arslan - eine gute Entscheidung. Stoppte den kopfballstarken Ex-96-Spieler Fahed Dermech, der außer bei einer gelben Karte farblos blieb. Reinhardt war am Ende der Turm in der 96-Abwehr.

Otto Addo: Ging fitgespritzt ins Spiel. Hielt keine 25 Minuten durch.

Damian Brezina: Kam für Addo. Sah für seine erste Aktion Gelb. Schnell und stark am Ball, hätte das eine oder andere Mal aufs Tor schießen sollen, statt zu schnell abzuspielen.

Dieter Hecking: Erst unauffällig, dann unglücklich. Vergab nach der Halbzeit zwei Riesenchancen.

Hakan Bicici: Stand nicht auf der Mannschaftsaufstellung, aber beim Anpfiff überraschend für Degen auf dem Platz. Der Alkoholsünder (mit 1,61 Promille nach der Meisterfeier von der Polizei erwischt) spielte zwar nicht wie im Rausch, aber auch nicht schlecht.

Gerald Asamoah: Machte das 1:0. Einziger richtiger 96-Stürmer, der sich immer wieder durch die TB-Abwehr wühlte - der 96er mit dem Betonhammer. In der Verlängerung von Krämpfen geplagt.

Vladan Milovanovic: Von den 96-Fans gefordert, für Bicici eingewechselt. Sorgte für noch mehr Druck im 96-Spiel. Erzielte das 2:0 mit einem Fallrückzieher - ein Traumtor.

Babacar N’Diaye: Konnte sich zu selten im Zweikampf durchsetzen.

 

Reaktionen:

TB Trainer Hermann Gerland: Glückwunsch an Hannover 96. Das Tor von Adler, das der Schiedsrichter nicht gegeben hat, war jedoch völlig korrekt. Jetzt müssen sich Siegen und Offenbach warm anziehen.

96-Trainer Reinhold Fanz: Das war eine großartige Leistung meiner Mannschaft, die alles gegeben hat. Mein Mitgefühl gilt TB. Wir hatten so ein ähnliches Spiel letztes Jahr in Cottbus.

96-Sportchef Fanz Gerber: Was die Mannschaft geleistet hat, ist unglaublich. Wir haben den Abstieg korrigiert. Daß wir wieder im Profifußball sind, ist unheimlich wichtig.

96-Präsident Martin Kind: Alles super. Die Mannschaft hat gezeigt, daß sie wirklich zweitligatauglich ist. Wenn eine entscheidende Situation kommt, hält Sievers die Bälle.

Jörg Sievers: Ich hatte mit einem Sieg fest gerechnet. Ich bin überglücklich.

Hakan Bicici: Es gab so viele Eskapaden in der Saison, aber alles ist jetzt mit diesem Sieg vergessen. Das war das Spiel der Spiele.

Jens Rasiejewski: Ich freue mich wahnsinnig, aber begriffen habe ich das Ganze noch nicht.

Vladan Milovanovic: Es ist unglaublich. Wahnsinn, irre.

 

(Quelle: Neue Presse, 25.05.98)


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