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Mohamadou Idrissou
Zum Glück hört
Wenn er nicht so gut lügen könnte, wäre Mohamadou Idrissou wohl kein Fußballer geworden. Mutter Mairamou (heute 47) hatte was gegen den Sport, glaubte an eine große Verletzungsgefahr. Trotzdem bolzte der kleine „Mo“ seit er zwölf Jahre alt war barfuß über die staubigen Straßen von Kameruns Hauptstadt Yaounde. „Ich habe immer irgendwelche Geschichten erzählt“, feixt Idrissou. Und beim Weggehen weite Straßenkleidung über den Sportdress gezogen: „Mama hat nichts gemerkt.“ Auch drei Jahre später war die gute Frau noch weitgehend ahnungs- und dann ziemlich fassungslos, als der Sohn mit einem Verantwortlichen eines Fußball-Internats vor ihr stand. Idrissou: „Ich hatte ihr erzählt, ich fahre mit Freunden zu einem Fußballspiel – nur zugucken.“ In Wahrheit war er beim Probetraining und hinterließ offensichtlich einen ziemlich guten Eindruck. Mama Mairamou war das egal. Sie fühlte sich nicht nur völlig überrollt, sondern sträubte sich auch gegen die Vorstellung, den Sohn in die Obhut fremder Menschen zu geben. Als Mohamadou gerade mal drei Monate alt war, starb sein Vater Asatou bei einem Autounfall – mit 28 Jahren. Seitdem war der Sohn ihr Ein und Alles. Aber die Fußball-Schule wollte den schlaksigen Jungen unbedingt, rang der besorgten Mutter einen Kompromiss ab. Nach einer Woche im Internat durfte Mohamadou jeweils für zwei bis drei Tage nach Hause. Diese Sonderregelung „fand Mama in Ordnung“. Warum auch nicht: In der „Ecole de Foot“ waren die Zustände, gemessen am Kameruner Durchschnittsleben, geradezu paradiesisch. Gepflegte Trainingsplätze, geregelte Mahlzeiten, komplette Ausrüstung für jeden Schüler. Idrissou spielte erst jetzt das erste Mal mit Fußballschuhen: „Das war komisch, so schwer da unten.“ Nach knapp zwanzig Minuten, die Übungspartie war in vollem Gange, lief er einfach vom Spielfeld und entledigte sich der ungewohnten Ledergewichte. Aber die Trainer ließen ihn nicht barfuß spielen, zwangen ihn wieder in die Schuhe. Mittlerweile hat er sich natürlich daran gewöhnt. Behauptet aber, barfuß fast jedem Bundesligaprofi noch was vormachen zu können. Aber bis zur deutschen Liga eins war es noch ein weiter Weg. Zuerst musste erneut Mairamou überzeugt werden. Die hatte 1999 aus dem Fernsehen erfahren, dass ihr Mohamadou in Kameruns U-19-Team für die WM in Nigeria steht. Und schnell beschlossen: „Du fährst nirgendwohin.“ Ganz offen gibt der gläubige Moslem zu, damals so lange geweint zu haben, bis er die Erlaubnis für die zwei Monate lange Reise hatte. Sinnvolle Tränen: Kamerun wurde Vierter, Idrissou zum besten Spieler seiner Mannschaft gewählt. Und als „Mo“ dann dafür auch noch einen kleinen Pokal mit nach Hause brachte, fing Mutter Mairamou langsam an, Fußball gut zu finden. Jetzt telefoniert Idrissou jede Woche mit der Mutter, schickt ihr Zeitungsausschnitte und wenn möglich auch Videobänder über seine sportlichen Heldentaten im fernen Europa. Und sagt: „Nun ist sie richtig glücklich.“ Genau wie er in Hannover: In der Mannschaft fühlt er sich wohl, auch weil mit Dame Diouf und Babacar N’Diaye schon zwei Afrikaner im Kader stehen. „Baba hat mich gleich wie einen Bruder behandelt“, sagt Idrissou. Und ihm in der neuen Stadt „alles gezeigt“. Auch an Idrissous Herzdame ist der Senegalese nicht ganz unschuldig: Mariella (21) ist eine Freundin von N’Diayes Lebensgefährtin Nicole Kubon: „Ich war mit Baba etwas trinken“, erinnert sich Idrissou. Die beiden Frauen kamen dazu, und „Mo“ hatte nur noch Augen für Mariella. Am nächsten Tag hat er Nicole gesagt: „Ich mag sie.“ Und schüchtern nach der Telefonnummer gefragt. Mittlerweile spricht Idrissou davon, Mariella im Winter mit nach Kamerun zu nehmen. Es hat ihn echt erwischt, er will die Frau seines Herzens seiner Mutter vorstellen. Fest vorgenommen hat er sich auch, dann von seinen ersten Bundesligatoren zu erzählen. Im Moment hindert ihn zwar noch ein kleiner Muskelfaserriss an fußballerischen Großtaten, aber „Mo“ ist sicher: Bald ist er wieder fit und ballert sich in die Bundesliga. „15 Tore“ hat er vollmundig für die erste Saison versprochen. Wir hoffen, dass er uns da nicht angeflunkert hat. |
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(Quelle: Neue Presse. 03 August 2002)