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Marc van Hintum
Van Hintums Welt
- Hals über
Wie sich Marc van Hintum am besten erholt, lesen Sie im Fragebogen. Also sitzen wir gemütlich zusammen. Beim Frühstück. Mittags um halb eins. Was Hannovers Holländer dazu trinkt, steht ebenfalls rechts. Im Verlauf des Gesprächs werden es vier Latte Machiatto. Wenn der Fußballprofi über seinen Beruf redet, sprudelt es aus ihm heraus. „Fußball – das ist meine Welt.“ Es sprudelt in perfektem Deutsch. Dabei ist der Job bei 96 sein erster in Deutschland. Aber van Hintum hat sich immer für andere Sprachen interessiert: „Wenn du aus so einem kleinen Land kommst, musst du einfach weltoffen sein.“ Unsere Sprache hat er einfach so nebenbei gelernt: beim Fernsehen gucken. „Bei uns sind Serien wie ,Derrick‘ oder ,Tatort‘ sehr beliebt.“ Die werden in der Originalfassung mit holländischen Untertiteln gesendet. „Da lernt man die deutsche Aussprache.“ Schon als ganz junger Kicker hat er deutsches TV geguckt: „Samstags nach dem Fußball war die ARD-Sportschau für mich ein Pflichttermin.“ Nun ja, die gute alte Sportschau gibts nicht mehr. Und wenn in der neuen Saison jeden Sonnabend ab 18 Uhr SAT 1 ran an die Bundesliga geht, spielt Marc van Hintum im aktuellen Geschehen möglicherweise eine Hauptrolle. Was treibt einen wie ihn, mit 35 das Abenteuer in einer der immer noch besten Ligen der Welt zu suchen? „Bei meinem alten Verein in Arnheim war ich König“, erzählt er. Und weiter: „In Holland ist die Trainingsintensität niedriger, wenn du über 32 bist. Dann brauchst du nur einmal am Tag zu trainieren – wenn du willst.“ Van Hintum wollte nicht. Er ließ sogar den Job als Jugendtrainer bei Vitesse Arnheim sausen, der ihm vertraglich zugesichert worden war – und wechselte im Januar Hals über Kopf zu 96. Im Trainingslager in Portugal waren sich die beiden Vereine näher gekommen. Trainer Ralf Rangnick wollte ihn unbedingt. „Ich musste mich innerhalb von zwei, drei Tagen entscheiden.“ Als dann alles perfekt war, fragte sich so mancher Fan: „Warum habt ihr eigentlich diesen Holländer geholt?“ Van Hintum spielte bei 96 hinten herum – und zwar schwach. Die Gründe: Er fühlte sich „müde und einfach nicht spritzig“, litt darunter, dass seine Frau Mariska (36) und Tochter Lisa (10) nicht bei ihm waren. „Ich bin ein Gefühlsmensch, die Familie ist mir sehr wichtig.“ Mitte August kommen die beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben endlich nach Hannover. Die van Hintums ziehen in das Haus von Oliver Schäfer (wechselt nach Saarbrücken) in Redderse, einem Ortsteil von Gehrden. Lisa wird dann in der internationalen Schule in Hannover Englisch, Deutsch und Französisch lernen. Wieder ein Beispiel für die Weltoffenheit des Marc van Hintum. Aber wie stehen nun seine Chancen, in der Bundesliga regelmäßig für 96 zu spielen? „Ich muss hier hart arbeiten“, sagt er – was nicht als Jammern zu verstehen sei: „Dafür werde ich auch bezahlt.“ Und er quält sich. Im Kampf um einen Platz auf der linken Seite steht es zwischen ihm und dem Neuen aus Mainz, Markus Schuler, zurzeit offenbar unentschieden. „Marc hat sich enorm verbessert“, lobt Trainer Rangnick. Auf jeden Fall ist das linke Duell fair. „Ich bin so weit in meinem Leben, dass ich nicht nur an mich denke, sondern an die Gemeinschaft“, sagt van Hintum. Das prima Klima bei 96 zu sichern – auch darin sieht er seine Aufgabe. „Ich bleibe immer locker, immer ruhig“, weiß er. „Ich werde mich darum kümmern, die Mannschaft zusammenzuhalten – auch wenn wir zwei-, dreimal hintereinander verlieren.“ In der Kickeria bleibt Marc van Hintum auch nach dem Ende seiner Karriere (sein Vertrag läuft noch ein Jahr). Schon seit Jahren arbeitet er in der holländischen Vereinigung der Vertragsfußballer – das Pendant zur deutschen VdV – mit, will später Spieler „in sozialen Fragen begleiten“. Seine berufliche Zukunft ist also gesichert. Dass die sich um den Ball dreht – logo: „Ich brauche meine Freiheit. Neun Stunden im Büro sitzen – das geht nicht.“ Dann schon lieber im Café. |
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(Quelle: Neue Presse. 25. Juli 2002)