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96, deine Stars |
Kai Oswald
Ein 96-Schwabe
Es gibt Spiele, die vergisst du dein ganzes Leben nicht“, sagt Kai Oswald und reibt sich das Kinn. Beim Gespräch mit der NP sitzt der neue 96-Verteidiger auf einer Holzbank im Stadtpark, aber in Gedanken ist er gerade an einem regnerischen Tag des Jahres 1993 in London. „Mit der U-15/U-16-Nationalmannschaft im Wembley-Stadion gegen England, für mich war das damals das Größte überhaupt“, erzählt der heute 24-Jährige. Er kann sich noch an jede Kleinigkeit erinnern. Dass es in der alten Arena nicht nur „nach Geschichte roch“, sondern auch „nach Hunden stank“. Wenn nicht Fußball gespielt wurde, liefen in Wembley die Vierbeiner um die Wette. „Die Sitzbänke waren aus Leder“, so Oswald, im Sanitärbereich standen sechs Badewannen, jeder Spieler hatte seine Dusche. „Dort muss Fußball seinen Ursprung haben“, meint Oswald immer noch, das 0:0 vor 40 000 Fans hat dem Talent einen „unglaublichen Schub“ gegeben. „An so einer Stätte, vor so einer Kulisse spielst du dich in einen Rausch.“ Spätestens nach diesem Länderspiel war der Berufswunsch klar, Fußball hatte allerdings schon für den kleinen Kai die größte Rolle gespielt. „Weil es unter der F-Jugend nichts gab, habe ich schon mit dreieinhalb Jahren bei meinem fünfjährigen Bruder Boris mitgekickt“, lacht Oswald. „Körperlich waren die anderen weiter, aber ich war frecher.“ Was Vater Rudolf (48) mit Wohlwollen registrierte, als Kais Trainer bei der TG Böhmenkirch war er schließlich für die Fortschritte verantwortlich. Kreisauswahl, Bezirksauswahl, württembergische Auswahl – es ging stets bergauf und 1993 zum VfB Stuttgart. „Zu jedem Training hat mich mein Vater kutschiert“, sagt Oswald und schiebt nachdenklich hinterher: „Ohne meine Eltern hätte ich es nicht so weit gebracht.“ Von Vorteil war auch, dass sein Geburtsort Geislingen schon mehrere Top-Fußballer rausgebracht hat: Ralf und Karl Allgöwer, Andreas Buck – und natürlich Weltmeister Jürgen Klinsmann. „Der ist wie ich vom SC Geislingen zum VfB Stuttgart gegangen“, sagt Oswald, „das macht schon Mut, wenn vor dir einige den Schritt aus der dörflichen Umgebung in die weite Welt geschafft haben.“ Anfang Mai 1999 kam für Oswald wieder eines dieser Spiele, die er nie mehr vergessen wird. Der VfB spielte im ausverkauften Stadion gegen den FC Bayern, der 21-Jährige saß auf der Bank. Nur bis zur 13. Minute allerdings. „Jochen Endreß hatte sich verletzt und Ralf Rangnick kam auf mich zu“, erinnert sich Oswald: „Der Trainer fragte mich: ‚Bist du bereit?“ und nach 30 Sekunden noch mal doppelt so laut: ‚Bist du bereit?““ Oswald war bereit, kam unterm jetzigen 96-Coach Rangnick zu seinem ersten von 71 Bundesligaspielen und glaubt, beim 0:2 eine „ganz ordentliche Partie abgeliefert zu haben“. Wenig später holte ihn Andreas Zachhuber nach Rostock – drei Jahre lebte und spielte er mehr als 800 Kilometer vom „schnuckeligen Häuschen meiner Eltern“ entfernt. Für die Beziehung zu Verena wars auch eine Probezeit – im Dezember sind die beiden seit fünf Jahren ein Paar, und Oswald glaubt nun: „Das ist die Liebe meines Lebens.“ Es wurden Möbel gerückt, Umzug in eine Wohnung im Seelhorster Garten. Der Kampf um die Stammplätze läuft – weil Oswald nach seiner Entscheidung für 96 vom Rostocker Trainer Armin Veh aus dem Kader entfernt wurde und drei Monate Spielpraxis fehlen, gibts einiges aufzuholen. „Ich packe das“, glaubt der sympathische Schwabe. Schließlich will er auch mit 96 bald ein Spiel erleben, das er nie mehr vergisst. |
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(Quelle: Neue Presse. 02. August 2002)