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Julian de Guzman
Der 96-Musterschüler
Er knackt gerne Autos, arbeitet für die Mafia und zur Not greift er auch zur Waffe – aber natürlich nicht im wahren Leben. Wie der deutsche WM-Held Bernd Schneider daddelt Julian de Guzman gerne mit der Playstation, nur bei seinem Lieblingsspiel „Grand Theft Auto 3” wird er zum Gesetzesbrecher. Auf und neben dem Fußballplatz ist der junge Kanadier ein braver Bürger, sagt solide Sachen wie: „Jedes Training ist eine lehrreiche Erfahrung.” Aber wir wollen jetzt was über Ralf Rangnicks Musterschüler lernen, zum Beispiel kommt uns der Name „de Guzman” so gar nicht kanadisch vor. Julian lacht und erklärt, dass es in Kanada – „wenn man ehrlich ist” – eigentlich gar keine Kanadier gebe. Jeder ist irgendwann von irgendwo eingewandert. In seinem Fall kam Vater Julian senior von den Phillippinen, Mutter Pauline (beide heute 41) aus Jamaica. Also eigentlich kein Wunder, dass Julian junior schon mit 16 Jahren wieder auswanderte, um im Internat von Olympique Marseille den europäischen Fußball-Feinschliff zu bekommen. Angefangen hat die Kick-Karriere des „Rohdiamanten”, wie Rangnick den Mittelfeldmann gerne nennt, schon mit fünf Jahren in den Kinder-Ligen von Toronto. Fußball ist, behauptet de Guzman, in Kanada eine der größten Sportarten. Nur halt nicht in der Spitze: Da interessieren „nur Eishockey, Baseball oder Basketball”. Basketball hat er auch gespielt und war, wir wollen es gerne glauben, nicht unbegabt: „Ich konnte gut und trickreich mit dem Ball umgehen.” Nur irgendwann „ist mir klar geworden, dass ich wohl nicht mehr wachse”. De Guzman lacht, weiß, dass er nicht mehr sagen muss. Auch wir ahnen, dass 1,69 Meter dem Basketballspiel nicht wirklich förderlich sind. Obwohl: Gab es da nicht mal einen, der in Altin-Lala-Format durch die NBA dribbelte? „Mugsy Bogues”, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Der war sogar nur 1,60 Meter groß, aber halt talentiert wie „one in a Million”. Damit mochte sich de Guzman dann doch nicht vergleichen, entschied sich ganz für den Fußball. Und ging also nach Frankreich, um das noch besser zu lernen. Ein 16-jähriger Junge auf einem fremden Kontinent –?das war sicher nicht einfach? „Im ersten Jahr war ich viel zu glücklich, um alles zu verstehen”, meint de Guzman. Denn Fußball in Europa, das war doch sein großer Traum. Jetzt gibt er zu, dass es „als Fremder in einem anderen Land” doch „schwerer als erwartet” war. Aber auch davon könne man lernen: „Ich genieße jede Herausforderung.” Die heißt jetzt 96, Bundesliga. Geholt als ablösefreier Ergänzungsspieler hat er sich in der Vorbereitung weit nach oben gekämpft und gedribbelt. Sein Trainer ordnet „July” bereits an Platz 15 im Kader ein. Aber an Stammplatz-Spekulationen mag sich der Musterschüler nicht beteiligen. Und schwärmt lieber von den „tollen Fußballern” im 96-Mittelfeld: Krupnikovic, Lala … „Entwickeln” sei seine Aufgabe: „Ob ich spiele oder nicht”, wenn das „Team” gut spiele, sei er „immer happy”. Allerdings, und fast meinen wir, so etwas wie Schalk in seinen Augen aufblitzen zu sehen: „Fußball ist voller Überraschungen.” Für einen 21-Jährigen ist dieser „July” aber schon ziemlich professionell, möchte man meinen. Aber in Wahrheit ist er wohl nur zurückhaltend, fast schüchtern. Denn auch beim Thema „Privatleben” spielt de Guzman eher defensiv. So zweimal in der Woche telefoniert er mit zu Hause, aber Heimweh hat er eigentlich „never”. Dann gibts da noch ein paar andere kanadische Fußballer in Europa, deren Nummer er im Handy gespeichert hat. Und natürlich sein kleiner Bruder Jonathan (14): Der macht es wie Julian, lernt fleißig auf dem Fußball-Internat von Feyenoord Rotterdam. Mit ihm telefoniert de Guzman oft, hat ihn auch schon in Holland besucht. Schließlich erfahren wir auch, warum er des Öfteren noch in Saarbrücken ist. Wegen Rachel (22). Seine Freundin, die er während seiner ersten Profi-Station kennen gelernt hat. Und die „noch nicht” nach Hannover kommen kann, weil sie mitten in der Ausbildung steckt. Es wird also vorerst ein Single-Haushalt werden, wenn er wahrscheinlich nächste Woche vom Hotel in seine eigene Wohnung umzieht. Ganz brav wird Julian de Guzman auch dort viel mit der Playstation spielen. Und uns bleibt die leicht kriminelle Hoffnung, dass er vielleicht bald auch auf dem Rasen ein zweiter Bernd Schneider wird. |
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(Quelle: Neue Presse. 06. August 2002)