Hannover 96

96, deine Stars

Jörg Sievers

Die Angst des Torwarts 
kennt 96-Dino Sievers nicht

Sie haben ihn einfach ins Tor gestellt. Udo (heute 46), Wolfgang (44) und Ralf Sievers (40) ließen ihrem kleinen Bruder vor gut 30 Jahren keine Wahl: Jörg musste beim Familien-Fußball den Fänger zwischen den Pfosten spielen. So ist der heute 36-Jährige Torwart geworden – erst beim Dorfverein SV Eddelstorf, später in Lüneburg und Wolfsburg, ehe er sich bei 96 bewarb. Seit 1989 steht Jörg Sievers in Hannover im Tor.

Einem wie ihm hat der Dichter und Denker Peter Handke sogar ein kleines Theaterstück gewidmet. Obwohl das mit der Angst vor dem Elfmeter Unsinn ist, denn Angst hat ein Torwart nur vor Kullerbällen, die ihm durch die Finger gleiten, nicht vor einem Strafstoß. Sievers schon gar nicht. Zwei seiner größten Erfolge hängen mit gehaltenen Elfmetern zusammen: Der Pokalsieg 1992 gegen Mönchengladbach (4:3 nach Elfmeterschießen) und der Aufstieg 1998 in die zweite Bundesliga gegen Tennis Borussia Berlin (5:1 nach Elfmeterschießen).

Jörg Sievers hat vor gar nichts Angst – schon gar nicht davor, abgelöst zu werden als Hannovers Nummer eins. Er sitzt ganz entspannt da, trinkt seinen Milchkaffee und sagt: „Ich fühle mich topfit.” Wer als sein Torwart-Konkurrent zu 96 komme, „muss wissen, dass er unter normalen Umständen nicht spielt. Es sei denn, ich greife fünfmal hintereinander daneben.” Dann, das weiß auch Sievers, würden die „normalen Mechanismen” der Branche greifen.

Aber was ist im Fußball schon normal? Ist es etwa normal, dass Sievers mit fast 37 Jahren seinen Einstand in der Bundesliga gibt? Normal nicht, sagt der Torwart, „aber ich habe immer gesagt: Aufhören werde ich erst, wenn ich mal erste Liga gespielt habe.” Dann ist also nach dieser Saison Schluss? Mitnichten. Wer Sievers kennt, weiß, dass er ähnlich wie Kollege Oliver Kahn denkt: Weitermachen, immer weitermachen …

Kennt Hannovers Schlussmann Kahn schon persönlich? Noch nicht, aber das wird sich spätestens bei der Platzwahl ändern, wenn 96 das erste Mal gegen Bayern spielt: Auf der einen Seite Kapitän Sievers, auf der anderen Kapitän Kahn. Zwar schätze er „den weltbesten Torwart”, aber „vor Ehrfurcht erstarren” wird Sievers nicht: „Wenn wir bei einem Kreisligisten spielen, läuft das ähnlich ab.” Wer hat Angst vor King Kahn? Sievers nicht.

Auch vor Egon, dem schrecklichen Coordes, hatte der 96-Torwart seinerzeit nicht gekuscht. Es war in der Abstiegssaison 1995/96, als Sievers Karriere fast in die Brüche ging. Auf die Journalisten-Frage, was Hau-drauf-Pädagoge Coordes anders machen könne, um die Niederlagenserie zu stoppen, antwortete Sievers: „Er müsste sich öfter mal auf die Zunge beißen.” Als der Trainer das in der Zeitung las, hatte Sievers bei ihm ausgespielt.

Auch die Mannschaft fand ihren Torwart plötzlich nicht mehr gut. Sie wählte relativ bald Carsten Eisenmenger, den Ersatztorhüter, zum neuen Kapitän. So komisch es klingt: Nur der bittere Gang in die Regionalliga verhinderte, dass 96 Jörg Sievers verlor. „Wenn wir nicht abgestiegen wären, wäre ich gegangen.” Weil dann die Mannschaft zusammengeblieben wäre, die ihn nicht mochte. Warum, weiß er bis heute nicht.

„Aber schreibt nicht so viel über die Vergangenheit”, sagt Sievers. „Schreibt lieber, dass ich mich in der Bundesliga auf alles freue – jedes Spiel ist ein Highlight.” Gebongt. Und was kann 96 in der kommenden Saison erreichen? Der gerade von den Kollegen bestätigte Kapitän nennt als Ziel „einen einstelligen Tabellenplatz”. Er hat halt keine Angst.

Auch nicht vor der Zeit danach. Die berufliche Zukunft ist langfristig geregelt. Mit Kompagnon Olaf Eggers hat Sievers vor zwei Jahren die Firma SIEG KG (SI für Sievers, EG für Eggers) gegründet, in der Sommerpause seine Prüfung zum Versicherungsfachmann abgelegt. „Irgendwann ist es mit dem Fußballspielen vorbei”, weiß er. Dann wird Sievers im Fulltime-Job bei SIEG einsteigen. 

Bis dahin ist sein Platz im Tor. Wie damals in Eddelstorf.

Ein Dutzend Fragen

  • Welches Auto fahren Sie

Renault Scenic

  • Was essen Sie am liebsten?

Nudeln

  • Ihr Lieblingsgetränk am Tag und abend?

Wasser, Apfelschorle

  • Ihr Lieblingsfilm?

Star Wars

  • Welches Lied singen Sie gern?

Ich singe nicht

  • Was gefällt Ihnen an Hannover am besten?

Das neue Rathaus

  • Über welchen Mitspieler können Sie am meisten lachen?

-

  • Wie erholen Sie sich am besten?

Bei meiner Firma SIEG KG

  • Ihr schönster Moment in der Karriere?

Pokalsieg 1992 und die Aufstiege 1998 und 2002 mit 96

  • Und der schlimmste?

Der Abstieg 1996 in die Regionalliga

  • Wem würden Sie einen Orden verleihen - und warum?

Ich verleihe keine Orden

  • Was begeistert Sie an 96?

Das Potenzial

(Quelle: Neue Presse. 19. Juli 2002)


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