Hannover 96 |
96, deine Stars |
Daniel Stendel
Er braucht Zeit,
Schier endlose Minuten – 1704, um genau zu sein. Minuten voller Verzweiflung. 1704 Minuten blieb Stürmer Daniel Stendel in der vorletzten Saison ohne Torerfolg. „Stendel raus“, schallte es von den Rängen. „Ich kenne meine Abschlussschwäche, dafür habe ich andere Qualitäten“, sagt ein selbstbewussterer Stendel heute. Und obwohl Trainer Ralf Rangnick diese Qualitäten erkannte und an seinem emsigen Stürmer festhielt, vermisste der die Lobby bei den Roten. Ein verkorkstes zweites Jahr für Stendel, keine Frage. „Ich habe mich einfach nicht wohl gefühlt“, sagt er selbst. Der Trainer wäre der Einzige gewesen, der noch an ihn glaubte. Bei seiner Frau Manja (27) abends in Gütersloh fand er Trost. Seinen Dreijahresvertrag wollte er erfüllen, sich noch ein Jahr durchbeißen und dann schauen „wohin es uns verschlägt“. Reisen waren die Stendels gewöhnt – Hamburg, Meppen und Gütersloh waren die Stationen vor Hannover. Doch es folgte das „sensationelle Aufstiegsjahr“. Für Daniel Stendel auch die Versöhnung mit dem Umfeld und den Fans. Aus Daniel Torlos wurde Daniel Düsentrieb – ein Vereinswechsel war kein Thema mehr. Mittlerweile gehört er zu den festen Größen im Team, ist im Sturm gesetzt. Und so schlecht ist seine Bilanz wirklich nicht. 31 Tore hat er für 96 in den vergangenen drei Jahren geschossen. Es macht ihm wieder Spaß in Hannover. Indiz dafür ist auch, dass die Stendels ihren Lebensmittelpunkt nun ganz in die Landeshauptstadt verlegen. In Garbsen-Berenbostel beziehen sie gerade ein kleines Haus. Wichtig für diesen Schritt: Manja hat ihre zweite Ausbildung zur Erzieherin abgeschlossen. „Mit Prädikat“, erzählt Stendel stolz. Kennen gelernt hatten die beiden sich in der Schule. In Hamburg gingen sie in den gleichen Jahrgang – dort baute der Fußballer sein Abitur. Es funkte nicht sofort, erst zwei Jahre später wurden sie ein Paar. In Hamburg fand er seine große Liebe. Dort war er aber auch zum ersten Mal nur auf sich gestellt. „Es war ein Riesenschritt, zum HSV zu gehen“, erinnert er sich. Bei seinem Heimatklub Vorwärts Frankfurt/Oder gingen nach der Wende langsam die Lichter aus. Der DDR-Oberligist verpasste die Qualifikation für die erste und zweite Bundesliga. Gute Spieler gingen in den Westen. Auch Stendel – gerade in den Herrenbereich gekommen – suchte die Herausforderung. Sein Ehrgeiz half ihm: „Ich wusste schon immer, was ich will – Fußballer werden.“ Viel hatte er dafür investiert, sich im Frankfurter Leistungszentrum voll rein gehängt. Er erinnert sich aber gerne an diese Zeit. „Wir hatten Top-Bedingungen. Da gehörte man schon zu den Bessergestellten“, erzählt er. Zweimal Training, dazu Schule – so lief der Tag ab. Weil er direkt aus Frankfurt kam, brauchte er nicht auf den Kontakt zu Vater Bernhard (50) Mutter Brigitte (49) und Bruder Guido (21) verzichten. Jungs von auswärts sahen ihre Familien seltener. Nur wenige hoffnungsvolle Jugendspieler aus der DDR-Talentschmiede kamen im Westen groß raus. „Aus meinem Jahrgang schafften nur Alexander Zickler und Bernd Schneider den Sprung.“ Jetzt setzt auch Stendel zum Sprung an. Wieder ist Hamburg seine Schicksalsstadt: Am 11. August meldet sich 96 in der schmucken AOL-Arena zurück in der ersten Bundesliga. Daniel Stendel wird mit hoher Wahrscheinlichkeit spielen. Und er hat sich fest vorgenommen, dass es keine 90 torlosen Minuten für ihn werden. |
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(Quelle: Neue Presse. 05 August 2002)