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Carsten Linke
Der Fußball-Gott
Audienz beim Fußball-Gott. Verzeihung, Herr Linke, aber womit haben Sie es sich eigentlich verdient, angebetet zu werden? „Ich denke, das ist die Anerkennung für ehrliche Arbeit. Dafür, dass ich kämpferisch immer alles gebe“, glaubt Carsten Linke, der seine himmlische Berufung durch die Fans aber zwiespältig bewertet: „Als Fußball-Götter werden vor allem Spieler bezeichnet, die technisch nicht die filigransten sind.“ Nun darf Linke wahrlich nicht für sich in Anspruch nehmen, ein Ballzauberer zu sein. In der Abwehr sind ohnehin vorwiegend andere Qualitäten gefragt. Der 36-Jährige ist der Lautsprecher auf dem Platz, er organisiert die Hintermannschaft mit viel Übersicht. Dabei hatte seine Karriere im Sturm begonnen – und zwar in der Kreisliga Ammerland/Wesermarsch. Die Gegner dort hießen Phiesewarden („nicht fiese Waden“), Abber-hausen und Nordenham. Linke spielte dort mit Klaus und Claus. Schwager Klaus stand im Tor, Bruder Claus war im Mittelfeld am Ball. Vater Klaus guckte zu – wie heute noch bei 96. Nach vier Jahren bei den ersten Herren des VfL Bad Zwischenahn wurde Linke von Oldenburgs Trainer Hans-Dieter Schmidt (später 96-Manager) bei einem Kreisauswahlturnier entdeckt. Das war im Jahr 1988. „Der VfB steckte in finanziellen Schwierigkeiten und setzte daher auf Talente aus der Region. Das war mein Glück“, erinnert sich der Spätberufene. In der Zweitliga-Aufstiegsrunde mit Havelse, Bielefeld und Wuppertal wurde Linke mit fünf Treffern Torschützenkönig: „Wir und Havelse sind damals etwas überraschend aufgestiegen.“ Linke etablierte sich im Profifußball, verdiente sein Geld in Homburg und später in Saarbrücken, bis es dort Anfang 1996 plötzlich keines mehr gab. „Ich habe meinen Berater beauftragt, etwas für mich zu finden.“ Der fand 96, Trainer Egon Coordes griff schnell zu. Linke, inzwischen zum Defensivspieler umgeschult, erlebte fortan wechselhafte Zeiten in Hannover. Noch im Jahr des Wechsels Abstieg in die Regionalliga („das konnte ich so nicht stehen lassen“), 1998 Wiederaufstieg in die zweite Liga und nun, 2002 der Sprung in die Bundesliga. Der Fußball-Gott ist angekommen im Kicker-Himmel. Und es scheint, als könne Trainer Ralf Rangnick vorerst nicht auf seinen fleißigen Vorarbeiter verzichten – obwohl der für einen Fußballer eigentlich schon das Rentenalter erreicht hat. 36 Jahre und 326 Tage alt wird Linke am 11. August sein, wenn der frühere HSV-Fan sein Bundesliga-Debüt in der AOL-Arena gegen den Hamburger SV feiert. „Man darf nicht unterschätzen, wie viel man auch in seinem Alter noch dazulernen kann“, sagt Trainer Ralf Rangnick aber. „Wenn Carsten noch Spaß hat und fit ist, soll er noch weitermachen.“ In einem halben Jahr will Linke in seinen Körper hineinhorchen, wie fit er noch ist, und dann entscheiden, ob er 2003 noch ein Jahr dranhängt. Damit würde Linke in Matthäus-Dimensionen vorstoßen. Erst mal aber schwebt der Fußball-Gott auf Wolke sieben, denn „jedes Spiel, das jetzt kommt, ist wie ein Geschenk für mich. Ich hoffe, ich bekomme viele Geschenke.“ |
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(Quelle: Neue Presse. 31. Juli 2002)