Hannover 96

Saison 2002/03, 22.Spieltag


Hannover 96 - Bayer 04 Leverkusen 1:2 (1:0)


Hannover 96: Tremmel - Cherundolo, Konstantinidis, Vinicius, Schuler - Popescu - Lala, de Guzman - Stajner, Kaufman, Idrissou / Trainer: Rangnick

Bayer 04 Leverkusen: Butt - Balitsch, Kaluzny, Zivkovic, Placente - Ramelow, Babic - Simak - Schneider, Brdaric - Franca / Trainer: Hörster

Eingewechselt: 64. Casey für Kaufman - 46. Neuville für Placente, 61. Schoof für Franca, 89. Preuß für Brdaric

Tore: 1:0 Popescu (14., Rechtsschuss), 1:1 Schoof (80., Linksschuss, Vorarbeit Babic), 1:2 Simak (90+1., Linksschuss, Neuville) - Schiedsrichter: Kircher (Rottenburg) - Zuschauer: 35 879 - Gelbe Karten: Tremmel, Cherundolo, Schuler, Popescu, Lala - Brdaric


Ratlos, hilflos – hoffnungslos? Zumindest in der Champions League war der Effekt des Trainerwechsels beim 1:3 gegen Newcastle ausgeblieben. Und so hoffte der Bayer-Tross, die Talfahrt in der Bundesliga-Tabelle hinunter auf einen Abstiegsplatz in Hannover vor den Augen von Bundeskanzler Gerhard Schröder stoppen zu können.

Hörster hatte seine Mannschaft gegenüber dem Newcastle-Spiel gleich auf sechs Positionen umgestellt. „Ich habe die Erkenntnis gewonnen, dass ich personell so nicht auflaufen kann“, resümierte Hörster. Anders als Toppmöller, der sich bis zuletzt schützend vor seine Spieler gestellt hatte, präsentiert sich der neue Übungsleiter als Mann der klaren Töne. Preuß, Kleine, Cris, Ojigwe, Bastürk und erstmals in dieser Saison auch Neuville erlebten den Beginn einer Bundesliga-Partie nur von der Bank oder Tribüne aus. Statt ihrer sollten Zivkovic, Kaluzny, Placente, Ramelow, Schneider und Babic versuchen, nicht nur für Luft im Abstiegskampf, sondern auch für Revanche für die Hinspiel-Niederlage zu sorgen. Seinerzeit hatte Aufsteiger Hannover Vizemeister Leverkusen in der BayArena mit 3:1 düpiert.

Eine Wiederholung dieses Erfolgs strebte 96-Trainer Ralf Rangnick mit einer im Vergleich zum 0:3-Debakel in Cottbus auf vier Positionen veränderten Mannschaft an. Cherundulo und Konstantinidis rückten für Stefulj und Popescu in die Abwehr, der Rumäne übernahm den Posten von Jaime im defensiven Mittelfeld. Die gesperrten Krupnikovic (5. Gelbe Karte) und Bobic (Rotsperre) wurden von de Guzman und Kaufman vertreten.

„Mir geht es darum, zu sehen, auf wen ich mich verlassen kann“, sagte Hörster, der sich gleich in den ersten Minuten seiner Bundesliga-Cheftrainerkarriere über eine Vielzahl dicker Patzer seiner Hintermannschaft ärgern musste. Einzig Jörg Butt hatte es Bayer zu verdanken, nicht schon nach einer Viertelstunde aussichtslos in Rückstand zu liegen. Von einem „Plus an Ordnung und Disziplin“, das Ramelow im Training erkannt haben wollte, war noch nichts zu erkennen. Ausgerechnet Butt aber musste sich beim 0:1 zumindest eine Teilschuld anrechnen lassen. Bei einem scheinbar harmlosen Heber von Popescu aus knapp 20 Metern stand der Keeper zu weit vor seinem Tor, reagierte zudem zu spät.

Erst in Minute 26 kam Bayer erstmals vor das Tor von Gerhard Tremmel, wenngleich auch nur sehr vorsichtig: Eine Ecke versuchte Brdaric locker-leicht mit dem Fuß weiterzuleiten. Eine Szene, die symptomatisch ist für Bayer in dieser Saison: Noch immer haben Teile der Mannschaft scheinbar nicht begriffen, dass die Tage des Zauberfußballs hinter ihnen liegen. Zwar zeigten sich Schneider und der Ex-96er Simak in der Leverkusener Kreativzentrale durchaus willens, doch schienen beide der Last, das Spiel machen zu müssen, nicht gewachsen zu sein. Die Spitzen Franca und Brdaric blieben so, von einigen langen Bällen in die Spitze abgesehen, beschäftigungslos.

Mit „desolat“ brachte Hörster die Leistung der ersten 45 Minuten treffend auf den Punkt und appellierte gleichzeitig an den Charakter der Mannschaft: „So können wir uns hier nicht präsentieren.“ Mit der Einwechslung Neuvilles für Abwehrmann Placente versuchte er, taktisch offensiver zu werden. Und in der Tat, nach einer rund 15-minütigen Umgewöhnungsphase entdeckte seine Mannschaft ihr offensives Potenzial. Lange schien Hannover bei etlichen guten Kontergelegenheiten einem zweiten Treffer näher als Bayer dem Ausgleich, ausgerechnet aber dem eingewechselten Nachwuchsmann Sebastian Schoof war es vorbehalten, mit seinem Tor zum 1:1-Ausgleich Bayers völligem Niedergang Einhalt zu gebieten. Eine Babic-Flanke drückte der Amateur über die Linie, zu diesem Zeitpunkt stand Bayer aber noch immer auf dem 18. Tabellenplatz – der Tiefgang. Verhindert wurde dieser durch Sorgenkind Jan Simak. Mit seinem Tor zum 2:1 sorgte er für den so dringend herbeigesehnten Befreiungsschlag und drehte so in letzter Sekunde ein Spiel, „das wir nie und nimmer verlieren hätten dürfen“, wie es Hannovers Kostas Konstantinidis formulierte.

Selbst für den Fall eines Gladbacher Sieges morgen in Stuttgart hat Leverkusen die Abstiegsränge verlassen, muss wie Hannover aber auch in Zukunft den Blick weiter nach unten richten.

(Quelle: kicker sportmagazin, 24.02.03)


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