Hannover 96

Saison 2002/03, 1. Spieltag


Hamburger SV - Hannover 96 2:1 (0:1)


Hamburger SV : Pieckenhagen - Hertzsch, Baur, Ujfalusi, Hollerbach - Wicky, Albertz - Kitzbichler, Rahn - Meijer, Heinz / Trainer: Jara

Hannover 96: Sievers - Cherundolo, Linke, Zuraw, van Hintum - Lala, Krupnikovic - Stajner - Stendel, N'Kufo, Stefulj / Trainer: Rangnick

Eingewechselt: 46. Antar für Kitzbichler, 46. Ledesma für Rahn, 75. Fukal für Hollerbach - 59. Idrissou für N'Kufo, 71. N'Diaye für Cherundolo, 86. Schuler für van Hintum - Reservebank: Wächter (Tor), Maltritz, Jacobsen, Christensen - Ochs (Tor), Diouf, Kaufman, de Guzman

Tore: 0:1 Zuraw (6., Rechtsschuss, Vorarbeit Stefulj), 1:1 Albertz (82., Foulelfmeter, Linksschuß, Zuraw an Heinz), 2:1 Albertz (84., Linksschuss, Heinz) - Schiedsrichter: Albrecht (Kaufbeuren) - Zuschauer: 52 139 - Gelbe Karten: Hollerbach, Baur, Meijer - N'Kufo, Zuraw, Lala


Süße Rückkehr mit bitterem Ende

Willkommen in der Bundesliga. Sonntag um 16.24 Uhr betraten die 96-Profis erstmals den Flickenteppich des Hamburger Stadionrasens. Die AOL-Arena war erst etwa zu einem Dreißigstel gefüllt, und doch gab es schon ein flottes Pfeifkonzert. Als sich Hamburgs Fußball-Erlebnispark fast gefüllt hatte, pfiffen die HSV-Fans bei der Mannschaftsvorstellung um 17.13 Uhr erneut auf 96 – nur um ein Vielfaches lauter. Das tat schon in den Ohren weh. Um 17.30 Uhr, pünktlich also, lief sie dann wieder, die Pille für den Mann (Verzeihung, liebe fußballbegeisterte Damen).

Für 96 schien es erst mal darum zu gehen, einen Gegentreffer zu verhüten. „Wenn hier in den ersten 20 Minuten kein Tor fällt“, vermutete Torwart Carsten Wehlmann, der beide Teams kennen gelernt hat, „dann wird es eng für den HSV“. Es fiel eines, schon nach fünf Minuten und 24 Sekunden – allerdings für 96. Offenbar machte sich das Geheimtraining Sonnabend in Hannovers AWD-Arena bezahlt. Trainer Ralf Rangnick hatte dort Standardsituationen üben lassen, seine Elf setzte nun eine Übung um. Jiri Stajner trat einen Freistoß in hohem Bogen auf den zweiten Pfosten, Danijel Stefulj legte für Dariusz Zuraw auf, und der traf mühelos. Die HSV-Abwehr hatte es 96 aber auch leicht gemacht, war kollektiv hinten raus gestürmt und reklamierte nun auf Abseits – es war keines.

Der freche Neuling aus Hannover stand sehr stabil auf seinen 22 Beinen und kontrollierte die Partie mit der deutlich besseren Spielanlage, was den HSV zu erstaunen und zu lähmen schien. Die gut 10.000 Fans aus Hannover dagegen waren bewegt. „Steht auf, wenn Ihr Rote seid“, sangen sie, die AOL-Arena war in hannoverscher Hand. Also gabs in der Pause wieder Pfiffe – diesmal für den HSV. Danach brachte Hamburgs Trainer Kurt Jara den Argentinier Christian Ledesma und den Libanesen Roda Antar – und damit mehr Schwung in die Aktionen.

Mit langen Bällen in die Spitze hebelte der HSV nun die Viererkette aus, machte aber zu wenig aus seinen erstklassigen Chancen. 96 verkroch sich nun ängstlich, es gab kaum noch Entlastung. Trainer Ralf Rangnick schlug die Hände über dem Kopf zusammen und grübelte, wie er den Erfolg über die Runden bringen könnte.

Er brachte erst Mohamadou Idrissou für Blaise N’Kufo (60.) und dann Babacar N’Diaye für den müden Steven Cherundolo (71.). Mit dem gepflegten Kurzpassspiel und den phasenweise fantastischen Kombinationen war es aber nun vorbei. Gut aber, dass Jörg Sievers im 96-Tor wiederholt erstklassige Chancen des HSV zunichte machte. Schließlich aber konnte er beim Strafstoß von Jörg Albertz (82.) auch nichts mehr machen. Zuraw und van Hintum hatten Heinz in die Zange genommen. Und es kam noch schlimmer: Albertz erhöhte auf 2:1 – sechs Minuten vor dem Ende. Der K.o. für 96.

Sie waren müde und enttäuscht – und trotzdem winkten Hannovers Profis dankbar ihren Fans zu. Die Hamburger Zuschauer pfiffen auch gar nicht mehr auf 96. Sie sangen mit ihrer Mannschaft.

Die Reaktionen:

HSV-Trainer Kurt Jara: Wir sind heute auf einen starken Aufsteiger getroffen. In der ersten Halbzeit haben wir ein bisschen geschlafen, nach dem Gegentor wurde es sogar planlos. Später haben wir uns den Sieg aber verdient.

Kapitän Jörg Sievers: In der ersten Halbzeit haben wir unsere Qualitäten ausgespielt, das Niveau konnten wir aber nicht halten. Die Niederlage ist schade und unnötig.

Marc van Hintum: Ich habe beim Elfmeter nichts gemacht, wenn dann war das Dariusz. 45 Minuten lang sind wir nicht mehr aus der eigenen Hälfte herausgekommen. Das ist zu wenig.

Carsten Linke: Die erste Halbzeit war richtig gut. In der zweiten Halbzeit haben wir dann teilweise mit vier Mann gestürmt. Das war zu viel für uns. Wir haben es nicht geschafft, und zu befreien.

Altin Lala: In der zweiten Halbzeit haben wir zu defensiv gestanden, da wurde der Druck einfach zu groß.

Danijel Stefulj: Katastrophe. Wir haben in der ersten Halbzeit so super gespielt und hätten das 2:0 machen müssen. Schade. Und dann kriegen wir am Ende so zwei dumme Tore.

Jiri Stajner: Es hat Spaß gemacht, in der Atmosphäre zu spielen.

Daniel Stendel: Wenn man zehn Minuten vor Schluss 1:0 führt, muss man das eigentlich über die Runden bringen. Wir haben bitteres Lehrgeld bezahlt.

Blaise N'Kufo: Uns fehlt noch Erfahrung. Zehn Minuten vor Schluss dürfen solche Fehler nicht passieren. In Zukunft werden wir sie abstellen.

Steven Cherundolo: Das war ganz bitter für uns. Der HSV hat nach der Pause viel Druck gemacht. Wir hatten nicht mehr genug Ballbesitz, und dann ist das Spiel gekippt. Einen Punkt hätten wir mitnehmen müssen.

Markus Schuler: Nach der Pause haben wir uns nicht mehr genug gewehrt und den Faden verloren.

96-Sportdirektor Ricardo Moar: Jiri Stajner hat die erste Halbzeit überragend gespielt. Wunderbar. Er hat viel mit dem Ball gemacht, das hat er in der zweiten Halbzeit wohl bezahlen müssen.

HSV-Torschütze Jörg Albertz: Es lief nicht wie gedacht. Ich habe gedacht, wir machen nie mehr ein Tor. Einige von uns haben unterirdisch gespielt.

Schalkes Nationalspieler Gerald Asamoah: Schade, ich hatte mich so über die 1:0-Führung gefreut. Aber sie haben gut gespielt.

Dortmunds Meisterspieler Otto Addo: Beim HSV ist es schwierig, Punkte zu holen. Aber die Leitung hat gestimmt - das ist schon was.

Ex-Nationalspieler Hans Siemensmeyer: Ein später Doppelschlag darf eigentlich nicht mehr passieren. Ist aber kein Beinbruch, die Punkte müssen zu Hause geholt werden.

Die Einzelkritik:

Jörg Sievers: 13 Jahre hat er auf ein Erstliga-Rendezvous gewartet und agierte souverän wie bei der Silberhochzeit. Dreimal Weltklasse, nur beim 1:2 fehlte ein wenig die Orientierung.

Steven Cherundolo: Kümmerte sich vor allem ums Defensive. Erst in Minute 20 ein schöner Flankenlauf. Fehlerhaft nach dem Wechsel, es fehlte wohl doch noch Kraft. Raus nach 71 Minuten.

Carsten Linke: Elegant war er noch nie. Machte auf seine Art aber viel richtig. Ein schwerer Bolzen, als er sich an der Mittellinie böse verschätzte.

Dariusz Zuraw: Gut gegen den bulligen Meijer, der quirlige Heinz lag ihm weniger. Was dann auch zum entscheidenden Elfer führte. Wieder torgefährlich bei Standards.

Marc van Hintum: Anfangs mit Luftloch im Strafraum und vielen Fouls. Setzte aber in Halbzeit zwei positive Zweikampf-Zeichen. Leider auch irgendwie am Elfer beteiligt.

Altin Lala: Gewohnt bissig. Oft da, wo die Hamburger hinwollten. Für Albertz wars wegen Lala lange kein Mittelfeld-Picknick. Nach vorne war der Kampfzwerg weniger riesig.

Nebojsa Krupnikovic: Kaum Zauber, viel Handwerk. Ackerte sogar mit dem Kopf im eigenen Strafraum. In Halbzeit zwei dann leider nur noch Arbeiter.

Jiri Stajner: Hacke, Tunnel, Grätsche, Pass — vor dem Wechsel wars ein klasse Debüt. Am Ende ging dem bis dahin lauffreudigen Tschechen etwas die Luft aus.

Daniel Stendel: Wühlte gut los, provozierte Gelb für Hollerbach, holte den Freistoß vor dem 1:0 raus. Danach wenig lichte Momente. Sollte es nicht nur flach versuchen.

Blaise N'Kufo: Der kantige Ballverteiler mit schwerem Stand, Schiri Albrecht pfiff viel gegen ihn. Nach einer Stunde ausgewechselt.

Danijel Stefulj: Das Kampfquadrat spielte vorne links nervös und unrund. Ließ Zweitliga-Dynamik vermissen. Ab Minute 71 hinten rechts auch nicht viel besser.

Mohamadou Idrissou: Versuchte sich eine halbe Stunde als Mittelstürmer. Viel Einsatz, aber auch Streuung beim Abspiel. War allerdings oft allein da vorne.

Babacar N'Diaye: Kam in der 71. Minute. Wirkte überfordert. Es ist halt nicht mehr zweite Liga.

(Quelle: Neue Presse, 12.08.02)


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