Hannover 96 | Saison 2001/02, DFB-Pokal, 3. Hauptrunde |
Hannover 96 - TSV Bayer Leverkusen 1:2 (0:2) |
Hannover 96: Sievers - Cherundolo, Linke, Diouf, van Hintum - Stefulj, Lala - Krupnikovic - Stendel, Keita, Kaufman / Trainer: Rangnick
Bayer Leverkusen: Butt - Zivkovic, Nowotny - Schneider, Ramelow, Placente - Ballack, Bastürk, Zé Roberto - Kirsten, Neuville / Trainer: Toppmöller
Eingewechselt: 75. Casey für Kaufman, 82. Zuraw für van Hintum - 83. Kleine für Kirsten, 89. Berbatov für Neuville
Tore: 0:1 Neuville (20.), 0:2 Kirsten (24.), 1:2 Keita (47.) - Schiedsrichter: Fröhlich (Berlin) - Zuschauer: 46 143 - Gelbe Karten: van Hintum, Krupnikovic, Cherundolo - Kleine, Ramelow, Ballack - Besonderes Vorkommnisse: Kaufman schießt Foulelfmeter (Ballack an Stefulj) an den Pfosten (3.); wegen heftiger Hagelschauer wurde die Partie in der 58. Minute für elf Minuten unterbrochen.
Die Unschlagbaren sind besiegt.
96 raus mit Applaus
Bayer zweimal kühl. Wichtiger
ist auch der Aufstieg
Es war lang, weiß und hübsch anzuschauen – doch dieses
Transparent dürfen die 96-Fans fortan leider nicht mehr aufhängen:
„Willkommen in Deutschlands letzter Festung” konnten die Bayer-Profis in
roter Schrift lesen. Ein freundlicher Hinweis darauf, dass 96 daheim in dieser
Saison bisher unbesiegbar war.
Uneinnehmbar sollte Hannovers Arena auch bleiben, 96 allerdings mauerte sich
gegen den Bundesliga-Tabellenführer nicht ein, sondern griff mutig an. Danijel
Stefulj etwa, der trotz Sprunggelenksverletzung wacker mitmischte, wühlte sich
durch den Bayer-Strafraum – und plötzlich war ein Nationalspieler-Bein im
Weg. Michael Ballack hatte es nach 122 Sekunden ausgestellt, Stefulj stolperte
– und Schiedsrichter Lutz-Michael Fröhlich machte mit seinem Pfiff die
Zuschauer glücklich. Vorübergehend jedenfalls, denn Jiri Kaufman schoss aus
elf Metern nur an den Pfosten. Bitter für den Tschechen, beim
Erstrunden-Pokalspiel in Mannheim (4:1 beim VfR) hatte er schon einen Strafstoß
verschossen. Aus dem Traumstart wurde also nichts, was 96 aber nicht zu stören
schien. Debütant Marc van Hintum zielte aus 20 Metern knapp am Tor vorbei (6.),
Salif Keita versuchte sich mit einem Fallrückzieher (11.) und einem Schuss von
der Strafraumgrenze. So viel Offensivschwung brachte auch die Zuschauer in
Bewegung. In Minute 16 schwappte La Ola, die Welle der Begeisterung, schon
dreimal über die Ränge – sogar der gesperrte und verletzte 96-Star Jan Simak
machte mit. Vier Minuten danach ebbte die Euphorie aber ab. Bayer hatte flott über
die linke Seite gekontert, Oliver Neuville nutzte die Flanke von Ze Roberto zum
0:1. Immer, wenn Leverkusen über die Flügel angriff, kam die 96-Abwehr ins
Schwimmen. Das 0:2 entstand rechts. Den Schuss von Michael Ballack parierte Jörg
Sievers zwar noch, doch Ulf Kirsten staubte ab (24.).
Nun schien 96 doch verunsichert. Es gab Fehler im Spiel nach vorne, bei Bayer
dagegen stimmte jetzt die Chemie. Bis zur Pause jedenfalls, danach sorgte Salif
Keita für neue Spannung, als er den Ball zum 1:2 in den Winkel wuchtete (47.).
So hätte es weitergehen dürfen, doch um 20.16 Uhr (in Minute 58) wurde die
Partie unterbrochen – es gab Blitz, Donner und Hagel.
Um 20.27 Uhr gings weiter, auch mit der 96-Offensive. Als Jens Nowotny
Spielmacher Krupnikovic übers Bein springen ließ, hätte es erneut Strafstoß
geben müssen, doch Fröhlich verweigerte diesmal (62.). Die Fans hatten dennoch
weiter Spaß und klatschten begeistert, weil 96 Bayer nun reindrängte. Kaufman
(68.), Stendel (77., 80.) und Diouf (81.) hatten allerdings Pech. So bliebs beim
1:2 – der ersten 96-Pleite im 21. Pflichtspiel der Saison.
Die Reaktionen:
96-Trainer Ralf Rangnick: Wer mich kennt, weiß,
dass ich mich ärgere. Wir können noch besser spielen, wir sind noch nicht ganz
auf dem Niveau der Vorrunde. Wir sind nicht so weit weg von Mannschaften wie
Leverkusen. Jan Simak hat uns auch als Elfmeterschütze gefehlt.
Leverkusens Trainer Klaus Toppmöller: Es war ein heißer Kampf,
Pokalfight pur. Hannover hat eine tolle Mannschaft. Wir werden 96 sicher in der
ersten Liga wieder sehen.
Marc van Hintum: Das Publikum kann zufrieden sein. Es war ein
phantastisches Gefühl, ein solches Spiel mitmachen zu dürfen. 96 ist eine gute
Mannschaft, die für die Bundesliga aber noch lernen muss.
96-Chef Martin Kind: Die Mannschaft hat ein Superspiel gezeigt und viele
Freunde gewonnen. Wir haben bezeigt, dass wir berechtigt auf Platz eins sind.
Jetzt konzentrieren wir uns auf den Aufstieg.
Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg: Wenn der Elfmeter reingegangen wäre,
wäre es ein anderes Spiel geworden.
Jan Simak: Wir haben das Elfmeter-Geschenk leider nicht angenommen. Nach
dem 1:2 waren noch Chancen da, den Ausgleich zu schaffen.
Carsten Ramelow: Unser Spiel war sicher noch verbesserungswürdig. Wir
haben aber hinten gut gestanden.
Carsten Linke: Die Gegentore durften nicht fallen. Am Ende hätten wir
gut und gern aber noch gewinnen können.
Bayer-Manager Reiner Calmund: Hannover ist sowohl von der Mannschaft als
auch von den Zuschauern her absolut bundesligareif. 96 war am Ende der unglückliche
Verlierer. Trotzdem haben wir nicht unverdient gewonnen.
Jörg Sievers: Bayer hat aus zwei Chancen zwei Tore gemacht. Wir haben
gezeigt, dass wir auch gegen Leverkusen bestehen können.
Ex-Nationalspieler Hans Siemensmeyer: Die bessere Mannschaft hat
verloren.
CDU-Landeschef Christian Wulff: Leverkusen war leider traumhaft sicher.
Eine Überraschung wäre möglich und verdient gewesen.
Scorpions-Chef Rudolf Schenker: Wenn 96 das Niveau hält, können sie
nach dem Aufstieg im Mittelfeld der Bundesliga mitspielen. Mit Simak wäre es
sicher anders ausgegangen.
Michael Ballack (Bayer Leverkusen): "Wir mussten im ersten Spiel nach der Winterpause erst einmal Standortbestimmung betreiben. Wir sind noch längst nicht da, wo wir hin wollen, aber zum Glück hat es gereicht. Nun wollen wir auch ins Endspiel."
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Für ihn wars einerseits wie in der
zweiten Liga — er bekam kaum was auf den Kasten. Andererseits wars aber doch
ganz anders — was aufs Tor kam, war meist drin. Das jedoch lag nicht am Kapitän.
Steven Cherundolo: Ze Roberto konnte der kleine Amerikaner nicht so
bremsen wie einen Schweinfurter. Vor dem 0:1 ließ Cherundolo den Brasilianer
weglaufen.
Dame Diouf: Gewann nach Punkten den Ringkampf gegen Kirsten. Das war
schwer in Ordnung.
Carsten Linke: Schwierige Partie für den 36-Jährigen. Wirkte anfangs unglücklich
im Stellungsspiel. In der zweiten Hälfte besser.
Marc van Hintum: Ordentlicher Einstand. Erst vor fünf Tagen
verpflichtet, fügte sich dafür schon ganz gut ein. Verletzt ausgewechselt.
Altin Lala: Er hat keine Angst vor den Ballacks dieser Welt und könnte
jederzeit auch in Liga eins mithalten. Bester 96er.
Danijel Stefulj: Nicht ganz fit in die Partie gegangen, schien sich sein
Einsatz schon nach zwei Minuten zu lohnen. Der Kroate holte den Elfmeter heraus,
den Kaufman aber nicht verwandeln konnte.
Nebojsa Krupnikovic: Immer besser, je länger das Spiel dauerte.
Daniel Stendel: Er wühlte und bohrte doch nur kleine Löcher in
Leverkusens Abwehr. Trotzdem wichtige 96-Play-Station, weil immer anspielbar.
Jiri Kaufman: Der Elfer wird ihm die ganze letzte Nacht verhagelt haben.
Er wird ihn immer wieder im Traum schießen, er wird reingehen — so ganz
anders als der in der zweiten Minute. So aber steht in der Statistik der zweite
verschossene Elfer nach dem beim VfR Mannheim in der ersten Pokalrunde.
Salif Keita: Seine Frau ist hochschwanger, er hat kaum geschlafen, und
trotzdem trifft er. Mit etwas Glück wäre noch einer reingerutscht.
Conor Casey: Okay, der Amerikaner.
Dariusz Zuraw: Machte nichts mehr falsch.
(Quelle: Neue Presse, 21.01.02)