Hannover 96

Saison 2001/02, 33.Spieltag


Hannover 96 - MSV Duisburg 4:1 (4:0)


Hannover 96: Wehlmann - Cherundolo, Linke, Zuraw, van Hintum - Lala, Stefulj - Krupnikovic - Stendel, N'Diaye, Casey / Trainer: Rangnick

MSV Duisburg: Brasas - Wolters, Steffen, Kienle, Bönig - Keidel, Voss, Grzelak - Zeyer - Glatt, Ebbers / Trainer: Littbarski

Eingewechselt: 46. Simak für Cherundolo, 61. Kaufman für Casey, 61. Nehrbauer für N'Diaye - 24. Spitali für Bönig, 46. Köhler für Kienle, 46. Gruev für Steffen

Tore: 1:0 N'Diaye (4., Foulelfmeter, Wolters an N'Diaye), 2:0 Casey (9.), 3:0 Stendel (18.), 4:0 N'Diaye (45.), 4:1 Ebbers (50.) - Schiedsrichter: Kinhöfer (Herne) - Zuschauer: 18 377 - Gelbe Karten: Keidel, Wolters, Grzelak, Köhler


Hannover feiert den Meister der Rekorde
72 Punkte, 88 Tore - so gut war noch keiner. So plant 96 die Zukunft.

Ja, hat Pierre Littbarski denn einen Clown verschluckt? Wir hatten noch sein weinerliches Statement nach dem 2:6 gegen 96 im Dezember 2001 in Erinnerung, als sich der Duisburger Trainer gestern um eine humorvolle Analyse bemühte. Er habe seine Spieler zu Beginn um Aufmerksamkeit gebeten, doch die hätten „wohl was falsch verstanden, wenn sie Hannover so freundlich unterstützen“.

„Saumäßig“ fand Littbarski vor allem seine „Alten“. Zum Beispiel Carsten Wolters: Der frühere Dortmunder Erstligaprofi dribbelte gedankenverloren an der Strafraumgrenze und trat den Ball lasch zurück zu Torhüter Brasas. Babacar N’Diaye sprintete aufmerksam dazwischen, wurde von Wolters am Arm gezupft und fiel – Strafstoß. Liebling Baba, von Trainer Ralf Rangnick „dazu eingeteilt“, schnappte sich die Kugel und schob sie rechts unten ins Netz (4. Minute). Ein flotter Auftakt, vier Minuten später köpfelte Conor Casey nach feiner Cherundolo-Flanke schon zum 2:0. 96 kombinierte zügig – und Duisburg sah weiter ziemlich alt aus. Daniel Stendel, von Krupnikovic vorzüglich bedient, traf zum 3:0 (18.). „Wir haben 30 Minuten hervorragend gespielt“, lobte Rangnick. „Viel besser gehts nicht.“ Viel schlechter als Duisburg hat sich freilich in dieser Saison auch noch kein Team im Niedersachsen-Stadion präsentiert. Kienle ließ sich von Stendel den Ball abjagen, dessen nette Serviceleistung verwertete N’Diaye zum 4:0 (45.) – sein siebtes Tor in dieser Saison. Der schlaksige Angreifer bekommt heute ein Angebot aus Freiburg und will danach über seine Zukunft entscheiden.

45 meisterlichen Minuten folgten 45 miese. So ist das halt, „wenn man 4:0 führt“, ergründete Carsten Linke später den Leistungsabfall. „Dann läuft der ein oder andere etwas weniger, und das Pressing klappt nicht mehr.“ Littbarski war jedenfalls „ganz froh, dass Hannover einen Gang zurückgeschaltet hat. Ich wollte ja nicht mit acht Gegentoren zurückfahren.“ Seine Mannschaft schaffte immerhin auch noch ein Tor. Marius Ebbers sprang höher als Dariusz Zuraw und traf mit dem Kopf zum 4:1 (50.). Für Carsten Wehlmann gabs da nichts zu halten. Der Torhüter im 96-TÜV hatte auch weiter keine Gelegenheit, sich auszuzeichnen.

Weil das Spiel zum Jubel keinen Anlass mehr gab, feierten sich die Fans schließlich mit einer Polonäse und fröhlichen Gesängen. Duisburgs Anhänger wollten auch ein bisschen lustig sein und entrollten ein Transparent: „Nur ein Jahr, dann seid ihr wieder da“, hoffen sie auf ein schnelles Wiedersehen. „Das kann ja wohl nur bedeuten, dass Duisburg im nächsten Jahr aufsteigt“, interpretierte Rangnick wohlwollend. Er spielt mit seiner Elf eine Rekordsaison. 72 Punkte und 88 Tore vor dem letzten Spieltag – das hat vor 96 noch kein Klub in der eingleisigen Liga mit 18 Teams geschafft. Ihm bedeute das nicht viel, behauptet Rangnick. Wichtiger ist ihm, wie es nun weitergeht. Ein dreistündiger 96-Gipfel mit Klubchef Martin Kind und Aufsichtsratsboss Harrald Wendt am Sonnabend brachte das Ergebnis, dass 96 vor allem in die Infrastruktur (Trainingszentrum, Geschäftsstelle, Management) investieren will. Heute wird der Transfer von Mohamadou Idrissou (Wehen) perfekt gemacht. „Alles andere wird zurückgestellt“, sagt Rangnick, weil weitere, hohe Transferausgaben im Zuge der Kirch-Pleite „unverantwortlich“ seien. Weil die Zweitligisten um ihre Existenz zittern müssen, „war der Aufstieg“, glaubt Rangnick, „noch nie so lebensnotwendig wie in diesem Jahr.“ 

Die Reaktionen:

96-Trainer Ralf Rangnick: Wir haben in der ersten Halbzeit viele Duisburger Fehler erzwungen. Zwischen der 30. und 40. Minute sowie in der zweiten Halbzeit wars leider nicht mehr so gut. Da haben wir das Spiel ein bisschen laufen lassen.

Duisburgs Trainer Pierre Littbarski: Wir sind mit dem 4:1 noch gut bedient. Ich hoffe, dass Hannover auch in der Bundesliga weiter so offensiven Fußball spielt. 96 hat einige sehr gute Fußballer. Es hat in dieser Saison viel Spaß gemacht zuzuschauen. Viel Glück für die neue Saison!

Steven Cherundolo: Das war ein wunderbarer Abschluss vor unseren Fans im Niedersachsenstadion. Die erste Halbzeit ist genauso gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben. Ich hatte Beschwerden in der Kniekehle, hätte im Notfall aber weiterspielen können.

Carsten Linke: Wir haben in der ersten Halbzeit so gut gespielt wie in der gesamten Saison. Wir wollten uns mit einer ordentlichen Leistung von den Fans in Hannover in die Pause verabschieden. Das ist uns eindrucksvoll gelungen.

Altin Lala: Die vier Tore waren gut für unsere Zuschauer. Der Punkte- und Torerekord ist gut für uns. Wir hatten uns fest vorgenommen, bester Aufsteiger aller Zeiten zu werden.

Carsten Wehlmann: Das Spiel war natürlich gut für die Mannschaft. Aber es ist leider wieder zu gelaufen, dass ich mich nur wenig auszeichnen konnte. Es war nicht viel zu tun. Der Kopfball von Marius Ebbers fiel genau in die Ecke. Den konnte ich wirklich nicht halten.

Die Einzelkritik:

Carsten Wehlmann: Sollte sich zum dritten Mal als Nummer zwei empfehlen. Aber wie? Musste nur zweimal zugreifen: einen Ball fing der Sievers-Vertreter, den anderen fischte er aus dem Netz. 

Steven Cherundolo: Yes Sir! Herrlich seine Flanke vorm 2:0 auf Landsmann Casey. Blieb zur Halbzeit draußen (Sehenreizung in der Kniekehle).

Carsten Linke: Als es nicht mehr volle Kraft voraus ging, trug auch der Kapitän dazu bei, dass 96 möglicherweise einen Rekord verpasst: die beste Abwehr steht in Mainz.

Dariusz Zuraw: Nur einmal nicht auf der Höhe – beim Duisburger Treffer durch Ebbers sprang Hannovers Pole nicht hoch genug.

Marc van Hintum: Hat nach sechs Woche Pause (Knieverletzung) auch mal wieder mitgespielt. 

Altin Lala: Ein, zwei schlaue Pässe. Der 96-Kampfzwerg begnügte sich diesmal mit kleinen Gefälligkeiten.

Danijel Stefulj: Nur dabei statt mittendrin.

Nebojsa Krupnikovic: Erst ein wenig arrogant auftretend, dann aber zunehmend elegant.

Daniel Stendel: Torschütze (zum 16. Mal) und Vorabeiter (zum 4:0) – erstklassiger Arbeitsnachweis.

Conor Casey: Und es hat wieder bumm gemacht. Der wuchtige Kopfball zum 2:0 war schon sein siebtes Saisontor. Er wird immer besser.

Babacar N‘Diaye: Sein Liebesverhältnis mit der Eckfahne geht weiter. Auch wenn er sie nicht mehr anfasst, sondern nur noch umtanzt. Baba setzt sich sogar schon über das Gesetz hinweg, dass der Gefoulte den Elfmeter nie selbst schießen sollte.

Jan Simak: Kam für Cherundolo. Unauffällig und auch kaum bemüht.

Jiri Kaufman: Kam für N‘Diaye. Unauffällig, aber bemüht.

Thorsten Nehrbauer: Kam für Casey. Auffällig unauffällig.

(Quelle: Neue Presse, 29.04.02)


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