Hannover 96 | Saison 2001/02, 27.Spieltag |
Hannover 96 - SSV Reutlingen 4:0 (1:0) |
Hannover 96: Sievers - Cherundolo, Linke, Zuraw, Stefulj - Nehrbauer, Simak, Krupnikovic - Stendel, Casey, Keita / Trainer: Rangnick
SSV Reutlingen: Curko - Kies, Malchow, Sbordone, Janic - Schmiedel, Ogunbure, Abuobe, Gerster - Becker - Garcia / Trainer: Geyer
Eingewechselt: 78. Rose für Nehrbauer, 82. Mikolajczak für Keita, 86. N'Diaye für Stendel - 57. Hoffmann für Schmiedel, 73. Frommer für Garcia, 86. Weigl für Gerster
Tore: 1:0 Casey (35.), 2:0 Linke (54.), 3:0 Stendel (56.), 4:0 Stefulj (87.) - Schiedsrichter: Scheppe (Wenden) - Zuschauer: 19 360 - Gelbe Karte: Malchow
Vier Tore öffnen für 96
das Tor zur Bundesliga
Casey, Linke, Stendel und Stefulj treffen. 61 Punkte - das
muß für den Aufstieg reichen
Die Bundesliga kann mit 96 rechnen. Hannover besiegte am Freitagabend Reutlingen 4:0 und hat jetzt 61 Punkte auf dem Konto. Mit so vielen Zählern ist bisher noch jeder Klub seit Einführung der eingleisigen zweiten Liga aufgestiegen.
Die beiden
Mittdreißiger fielen irgendwie auf im Block E 21. Ihre Wintermäntel hatten Pelzkragen,
dann und wann lugte eine bunte Joop-Krawatte hervor – und ihre Brillen gibts bestimmt nicht bei Fielmann. Bengt Johannson, ein Schwede, und Rasper ten Neisvand, ein Holländer, hatte es von
der CeBIT ins Stadion verschlagen. „Dreimal haben wir Leute in der Stadt um einen
Tipp für den Abend gebeten”, erklärte der 38-jährige Johannson, „dreimal haben die
Leute uns ins Stadion geschickt. Weil hier ein zweitklassiger Verein erstklassigen
Fußball spielt.”
So froren die beiden Computerexperten im unüberdachten Unterring vor sich hin und
wunderten sich vielleicht ein wenig. Denn erstklassig, das war in Halbzeit eins nichts:
das Wetter nicht, die Stimmung nicht, das Spiel nicht – 96 auch nicht. So zauberhaft
es in den Wochen zuvor oft war, so ernüchternd wars an diesem nasskalten Freitag.
96 wurde lange nicht warm mit diesem Kick gegen den Zehnten, der von Aufstiegshoffnung ebenso unbelastet ist wie von Abstiegsangst.
Fußball, diese bei 96 so oft schön anzuschauende Ballsportart, wurde zur Arbeit. Der
Drei-Meter-Pass zwischen Danijel Stefulj und Jan Simak gelang ebenso wenig wie der
eine oder andere Torschussversuch von Angreifer Salif Keita. Große Sorgen musste
sich trotzdem kein Fan machen. Reutlingen blieb harmlos bis ungefährlich, und 96
gelang gleich mit der ersten richtig guten Aktion die Führung. Daniel Stendel schob den Ball mustergültig in den Lauf von Conor
Casey, der Reutlingens Tormann Goran Curko mit Genuss tunnelte. „Der erste Treffer ist immer
der wichtigste”, philosophierte der verletzte Dame Diouf zur Pause und prognostizierte mutig, „noch drei für uns”. Der Profi kennt seine Kollegen eben.
Stendel hätte das zweite schon kurz darauf machen müssen, doch in der 49. Minute
konnte noch ein Reutlinger auf der Linie retten.
Fünf Minuten später hatte 96 seine Betriebstemperatur erreicht, jetzt wurde auch den
CeBIT-Gästen warm ums Herz. Dank Szenen wie dieser: Nebojsa Krupnikovics Freistoß flog genau auf den Kopf von Carsten Linke, der in den Winkel verlängerte.
So stößt man das Tor zur Bundesliga ganz weit auf. Damit es bis Saisonende weit
offen bleibt, legte Stendel nur 120 Sekunden nach dem 2:0 einen nach. Aus 15 Metern passte da alles. Und als ob das noch nicht genug wäre,
durfte auch noch Daniel Stefulj jubeln. Der Alleskönner traf in der 87. Minute nach Caseys Vorlage zum
Endstand. Danach jubelten sie alle – die 96-Profis und ihre gut 20 000 Fans im Stadion.
Die Reaktionen:
96-Trainer Ralf Rangnick: Wir haben in den ersten 20 Minuten untypisch schlampig gespielt. Das Spiel war fast eine Kopie von dem gegen Ahlen. Es plätscherte so vor sich hin, dann haben wir ein, zwei Gänge höher geschaltet. In der zweiten Halbzeit haben wir phasenweise Zauberfußball gespielt.
Reutlingens Trainer Reiner Geyer: Kompliment an meine Mannschaft. Gerade in der ersten Halbzeit haben wir aggressiv gespielt. 96 hat aber eiskalt seine Chancen genutzt und gezeigt, dass sie zu Recht in der Tabelle ganz oben stehen. Ich denke, ich kann 96 heute zum Aufstieg gratulieren.
Daniel Stendel: Der Sieg ist sicherlich verdient. Wir haben gezeigt, warum wir Erster in der Tabelle sind.
Jörg Sievers: Ein ganz verdienter Sieg. Das Ergebnis ist okay, die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass jetzt noch etwas passiert.
Nebojsa Krupnikovic: Wir haben mit schnellen Pässen den Gegner unter Druck gesetzt. Ein Sieg noch, dann ist der Aufstieg perfekt.
Steven Cherundolo: Die erste Halbzeit war sehr schwierig, da Reutlingen sehr guten Fußball gespielt hat. Nach dem 2:0 war das Spiel aber gelaufen. Es hat dann einfach nur noch Spaß gemacht.
Danijel Stefulj: Zu 99 Prozent haben wir den Aufstieg geschafft. Wir spielen jetzt nur noch für Prämien und für die Zuschauer.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Unternahm einen 90-minütigen
Strafraumspaziergang, durfte zwischendurch auch mal Fangen spielen, wenn ihm die Reutlinger Bälle zukommen
ließen. Dreimal griff Hannovers Torwart gut zu.
Steven Cherundolo: Schalkes Manager Rudi Assauer saß auf der Tribüne – wegen ihm?
Der Vertragspoker beeinflusst die Leistung des Amerikaners jedenfalls nicht. Zuverlässig.
Carsten Linke: Nutzte seine Stärke in der Luft und köpfte sein zweites Saisontor.
Dariusz Zuraw: Unauffällig, hart und sicher.
Danijel Stefulj: Diesmal wieder links hinten. Vergab einmal freistehend aus wenigen
Metern, beim zweiten Versuch traf er dann (zum 4:0).
Thorsten Nehrbauer: Saugte nicht ganz so viele Bälle an wie der verletzte Altin
Lala, den er ersetzte. Dennoch im Mittelfeld ein ordentlicher Arbeiter.
Nebojsa Krupnikovic: Wenn was in der eher gruseligen ersten Hälfte ging, dann über
den Spielmacher. Steigerte sich noch, ein Freistoß führte dann auch zum 2:0 durch
Linke.
Jan Simak: Sein eingesprungener Tunnel an der Eckfahne, als er einem Reutlinger
an der Eckfahne den Ball durch die Beine spielte, war seine beste Nummer in der ersten Hälfte. In der zweiten gab er Zwischengas, legte Stendel zum 3:0 vor.
Daniel Stendel: Machte in der ersten Hälfte nur ein Abseitstor. In der zweiten folgte
Saisontreffer Nummer 14, damit ist er Simak (16 Treffer) auf dem Fersen.
Conor Casey: Entwickelt sich zum Torjäger, erzielte sein viertes im elften Spiel. Gute
Quote, zumal er erst zum zweiten Mal von Beginn an ran durfte.
Salif Keita: Er spielt um einen Vertrag, und es wirkt ja auch alles sehr bemüht. Aber
wenn er sich so selten durchsetzen kann, wird das wohl nichts.
Marco Rose: Machte nichts mehr falsch.
Christian Mikolajczak: Vergab bei seiner ersten Ballberührung freistehend.
Babacar N’Diaye: Wie immer – gefeiert fürs bloße Erscheinen auf dem Spielplatz.
(Quelle: Neue Presse, 16.03.02)