Hannover 96

Saison 2001/02, 22.Spieltag


Hannover 96 - FSV Mainz 05 2:0 (1:0)


Hannover 96: Sievers - Cherundolo, Linke, Diouf, van Hintum - Stefulj, Lala - Krupnikovic - Simak, Kaufman, Stendel / Trainer: Rangnick

Mainz 05: Wache - Nikolic, Friedrich, Christ, Schuler - N. Weiland, Kramny, D. Weiland - Hock - Ziemer, Woronin / Trainer: Klopp

Eingewechselt: 70. Keita für van Hintum, 73. N'Diaye für Kaufman, 84. Nehrbauer für Simak - 63. Bediako für Hock, 74. Ahanfouf für Kramny, 76. Bodog für Nikolic

Tore: 1:0 Simak (37.), 2:0 Krupnikovic (69.) - Schiedsrichter: Krug (Gelsenkirchen) - Zuschauer: 20 151 - Gelbe Karten: Cherundolo, van Hintum, Sievers - Schuler, Nikolic


Nie mehr zweite Liga - können die 96-Fans irren?
Der Spieltrieb macht Simak so wertvoll. Sie kämpfen - und haben noch einen Zauberer

Diesmal war doch alles so hübsch vorbereitet von der Stadt. Nachdem sich Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg eingeschaltet hatte, wurde der Stadion-Rasen gestern gründlich gewalzt. Einmal am Morgen, ein zweites Mal am Mittag – und auf 96-Anweisung noch ein drittes Mal in der Zone zwischen den Strafräumen, wo das zauberhafte 96-Mittelfeld meist ein Übergewicht schafft. 

Das gelang aber diesmal anfangs nicht, weil Mainz 96 mit aggressivem Pressing ärgerte. Trainer Jürgen Klopp hatte seine Spieler angewiesen, den Gegner „noch früher zu stören als sonst“. Der Plan ging zunächst auf. 96 agierte fahrig, mit unpräzisem Aufbauspiel und wenig Fortune im Zweikampf. Mainz schien besser sortiert. Für die Gäste aus der Fastnachts-Hochburg muss es die Höchststrafe sein, am Rosenmontag zu arbeiten, sie taten aber höchst diszipliniert ihren Dienst wie in einem Karnevalscorps. Was aber bringt die schöne Ordnung, wenn das kreative Element fehlt? Zwei ungefährliche Fernschüsse (von Nikolic und Kramny) und einen Treffer ans äußere Lattenkreuz vom Ex-96-Profi und früheren Grasdorfer Niclas Weiland, um genau zu sein.

Nach 20 Minuten befreite sich 96 allmählich von der Mainzer Umklammerung, Danijel Stefulj vergab die erste Chance (25.) und trat den Ball knapp neben das Tor. Wenn bei 96 nicht viel geht, das kannten wir schon, dann geht der Spieltrieb gerne mit Jan Simak durch. Also legte er sich noch in der eigenen Hälfte den Ball vor, sprintete durch die Mainzer Abwehrkette, zog an der Strafraumgrenze die Bremse, narrte zwei Abwehrspieler und traf zum 1:0 (37.). Solche unglaublichen Aktionen sind es, für die die Fans Simak lieben und die ihn so wertvoll für 96 machen. Mainz bemühte sich noch um den Ausgleich, doch Kramny traf nur den Pfosten (43.). 

96-Trainer Ralf Rangnick sprach in der Pause von einem „absoluten Spitzenspiel“, was spätestens in den folgenden 45 Minuten stimmte. Weil Mainz nun die Ordnung etwas vernachlässigte, um auf den Ausgleich zu drängen, bekam 96 mehr Raum und konterte phasenweise brillant. Robert Nikolic schien das nicht zu gefallen, der Mainzer Abwehrspieler trat Jiri Kaufman 20 Meter vor dem 96-Tor von hinten um, was Jörg Sievers auf den Plan rief. Der Torhüter wollte dem Sünder an den Kragen und sah Gelb (61.). Fortan wurde wieder Fußball gespielt. Simak trat einen Diagonalpass auf Krupnikovic, der den Mainzer Torhüter Dimo Wache mit einem Lupfer überwand (68.). So einfach kann Fußball sein – und so schön. Mainz war geschlagen, Keita und N‘Diaye vergaben die letzten 96-Chancen – und die Fans feierten: „Nie mehr zweite Liga, nie mehr …“

Bei fünf Punkten Vorsprung auf Platz zwei und acht auf Platz vier können wir das verstehen. 

Die Reaktionen:

96-Trainer Ralf Rangnick: Heute war entscheidend, dass wir wenig Mainzer Chancen zugelassen haben. Simak bleibt vorm Tor ganz cool; das zeichnet ihn aus.

Mainz-Trainer Jürgen Klopp: Ich bin brutal enttäuscht; hier waren Punkte drin. So unter Druck gesetzt wurde 96 im eigenen Stadion noch nie.

Jörg Sievers: Wir haben einen großen Schritt Richtung Aufstieg gemacht. Wir können uns nur noch selber stoppen.

Klubchef Martin Kind: Ich bleibe dabei, das Restrisiko, nicht aufzusteigen, ist weiter bei zwei Prozent. Wir müssen jetzt Konzentration und Spannung weiter aufrechterhalten.

Aufsichtsrats-Chef Harrald Wendt: Dieser Sieg ist in der Höhe verdient.

Danijel Stefulj: Die drei Punkte waren sehr wichtig. Ich bin mir sicher: Das ist zu 100 Prozent der Aufstieg.

Carsten Linke: Das war ein ganz wichtiges Spiel; wir haben die Verfolger auf Abstand gehalten. 

Daniel Stendel: Wir hätten 5:0 gewinnen können. Spielerisch können wir jeden Gegner auseinander nehmen.

Die Einzelkritik:

Jörg Sievers: Der Kapitän mit dem Jekyll-and-Hyde-Syndrom, denn zwei Wesen wohnen im 96-Torwart: Oberhalb der Hüfte ist er der ruhige Fänger, unterhalb der manchmal zappelige Schütze, der zu viele Rückpässe verstolpert.

Steven Cherundolo: Eines der Hauptschwungräder des 96-Spiels. Der kleine Amerikaner rückt gut nach und schafft rechts Überzahlsituationen.

Dame Diouf: Fing an wie ein Weltklasseverteidiger. Lauf- und kopfballstark, machte hinten alles weg. Doch zum Ende der ersten Hälfte mit einigen Fehlern wie in der dritten Liga, dann wieder besser. 

Carsten Linke: Eher unauffällig, bokte aber viele Bälle kompromisslos raus.  

Marc van Hintum: Im Unterschied zu Cherundolo bleibt er hinten kleben. Mehrmals zu spät dran im Zweikampf, lief einige Bälle gut ab. 

Altin Lala: In den ersten fünf Minuten hieß es Lala gegen Mainz. Wieder richtig bissig im zentralen Mittelfeld.

Danijel Stefulj: Weiter nach links versetzt, um auf der Seite mehr Druck nach vorn zu erzeugen. Der Kroate nahm aber erst kaum am Spielbetrieb teil, bis er in eine Flanke rutschte und fast das 1:0 erzielt hätte. 

Nebojsa Krupnikovic: Er hatte es schwer, weil die Mainzer schon im Mittelfeld kompakt standen und dem 96-Strategen kaum Platz ließen. Machte das 2:0 — ganz wichtig. 

Daniel Stendel: Der Stürmer, der am meisten nach hinten arbeitet. Im Mainzer Strafraum kam er zu selten durch. 

Jiri Kaufman: Irgendwie neben der Spur. Bräuchte eine Besinnungspause, aber Rangnick hat kaum Alternativen. 

Jan Simak: Genial, traumhaft, wunderschön — sein Tor war den Eintritt allein wert. Daran sollte 96-Chef Martin Kind denken, wenn er Simak heute ein neues, verbessertes Angebot für die erste Liga macht. 

Salif Keita: Hatte viel Platz, aber machte nichts draus. 

Babacar N'Diaye: Fast hätte er sein Tor gemacht.

(Quelle: Neue Presse, 12.02.02)


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