Hannover 96

Saison 2001/02, 10.Spieltag


SSV Reutlingen - Hannover 96 2:2 (2:2)


SSV Reutlingen: Curko - Kies, Hofacker, Kovar, Traub - Hoffmann, Aduobe, Becker, Janic - Garcia, Frommer / Trainer: Veh

Hannover 96: Sievers - Cherundolo, Diouf, Linke, Stefulj - Krupnikovic, Lala, Simak - Stendel, Kaufman, Keita / Trainer: Rangnick

Eingewechselt: 54. Klee für Garcia, 58. Malchow für Hofacker, 82. Weigl für Klee - 46. Mikolajczak für Keita

Tore: 1:0 Hofacker (29., Foulelfmeter, Sievers an Frommer), 1:1 Stendel (30.), 1:2 Kaufman (39.), 2:2 Garcia (40.) - Schiedsrichter: Kinhöfer (Herne) - Zuschauer: 7 149 - Gelbe Karte: Klee, Traub - Diouf, Krupnikovic, Sievers. Stefulj - Besonderes Vorkommnis: Sievers hält Foulelfmeter (Krupnikovic an Traub) von Hofacker (43.).


Stendel weckt die Schläfer, aber 96 verpennt den Sieg
Viele Torchancen vergeben. Abwehr durcheinander wie nie zuvor

2:2 in Reutlingen – 96 bleibt unbesiegt. Trainer Ralf Rangnick weiß nicht, ob er sich freuen oder ärgern soll.

Wenn dieses 96-Spiel in Reutlingen ein Quiz gewesen wäre wie früher „Was bin ich?“ von Robert Lemke, wo es Berufe anhand typischer Handbewegungen zu erraten gab? Ja, dann wäre Altin Lalas versuchter Kopfstand mit anschließender Rolle vorwärts die typische Bewegung zum Spiel. In der 75. Minute wälzte sich der beste 96-Spieler nach einer von Kollegen vergebenen Torchance enttäuscht am Boden. Die Ereignisse überschlugen sich in den Strafräumen, und die Partie drehte sich wie ein Turner beim Salto. „Die erste Hälfte war unsere schlechteste in der Saison“, räumte der 96-Übungsleiter nachher ein. Schon beim Aufwärmen war Ralf Rangnick aufgefallen, dass „wir die innere Spannung nicht wie sonst aufgebaut hatten“.

„Schläfrig“ sah Rangnick seine Spieler, wie den Ältestenrat um Carsten Linke und Jörg Sievers (beide 36) in der 28. Minute. Linke reagierte zu zögerlich. Jörg Sievers kam zu langsam und spät aus dem Tor, als Nico Frommer auf den Torhüter zulief. Der Stürmer stürzte, Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer pfiff zu Recht Elfmeter. „Die fallen doch wie die Fliegen“, schimpfte Sievers, konnte aber den Elfer von Robert Hofacker nicht abklatschen – 0:1.

Doch wenige Sekunden später hatte Daniel Stendel nach einer famosen Einzelleistung ausgeglichen (29.). „Die Wach-Mach-Tablette“ (Rangnick) für die 96-Schläfer. Auch in Ahlen hatte Stendel nach dem 0:1 sofort zum Gegenschlag ausgeholt. Damals lag 96 ebenfalls 2:1 vorn. Jiri Kaufman besorgte diesmal die Führung (38.), die Rangnick „fast grotesk“ fand. „Wahrscheinlich hatten meine Spieler so ein schlechtes Gewissen, dass sie den 2:2-Ausgleich auf einem silbernen Tablett serviert haben.“ Alfonso Garcia traf nach einer Kombination, der die Abwehr nicht folgen konnte (39.). Als dann Nebojsa Krupnikovic Torsten Traub kurz am Trikot zupfte, hob der Reutlinger ab, als ob er vom Sprungbrett in die Luft geschleudert worden wäre. Den zweiten – unberechtigten – Elfer (43.) von Hofacker hielt Sievers, was Rangnick wichtig fand: „Ich weiß nicht, ob wir sonst noch mal zurückgekommen wären.“

Ohnehin war anfangs das Kräfteverhältnis auf den Kopf gestellt. Der Zweite von oben in der Tabelle lief den Vierten von unten hinterher. Die Innenverteidiger Linke und Dame Diouf stolperten von einer Verlegenheit in die Nächste. „Wir haben beschissen gearbeitet und den Zugriff nicht gekriegt“, meint Rangnick. Erstmals setzte 96 das offensive Spiel nicht durch, was sich erst nach einer Systemänderung änderte.

Salif Keita blieb draußen, für den harmlosen Stürmer stellte Rangnick Christian Mikolajczak ins Mittelfeld. Jetzt war 96 besser geordnet, aber nun litt das Team an der Stendelschen Krankheit: Aus sechs „Hochkarätern“ (Rangnick) machten sie kein goldenes Tor.
Stendel (54. und 64.) Kaufman (55.), Simak (67.) und Krupnikovic (74. und 87.) vergaben.

Dabei hätte 96 so gerne das Schweinderl mit den drei Punkten mitgenommen. Die Frage, was 96 nun für ein Team ist, klärte dann noch Reutlingens Trainer Armin Veh: „Eine Spitzenmannschaft, die mit Sicherheit aufsteigt.“ Dieser Dreh nach einem unterhaltsamen Spiel wird den 96-Fans sicher gefallen.

Die Reaktionen:

96-Trainer Ralf Rangnick: Ich weiß nicht, ob man sich über den Punkt freuen oder den vergebenen Chancen nachtrauern soll.

Reutlingens Trainer Armin Veh: Das war ein sehr gutes Zweitligaspiel, das wir in der ersten Halbzeit entscheiden mussten.

Steven Cherundolo: In der ersten Halbzeit waren wir nicht so aggressiv wie sonst.

Altin Lala: Wir hatten so viele Chancen, dass muss zum Sieg reichen.

Daniel Stendel: Normal wäre gewesen, wenn wir als Sieger nach Hause fahren würden.

Die Einzelkritik:

Jörg Sievers: Verschuldete den ersten Elfer. Machte alles wieder gut, als er den zweiten Strafstoß hielt und auch sonst einige Male gut rettete.

Steven Cherundolo: Ungewohnt viele Fehler, aber auch wichtiger Antreiber in der zweiten Hälfte.

Carsten Linke: Ihn haben wir schon souveräner gesehen.

Dame Diouf: Sein schwächstes Saisonspiel, wackelte erstmals.

Danijel Stefulj: Bemüht, aber zeitweilig orientierungslos.

Altin Lala: Behielt als Einziger in der 96-Schwächephase den Kopf oben.

Nebojsa Krupnikovic: Der Magier ließ das Kaninchen im Hut. Dennoch einige schöne Vorlagen, aber auch ein dummer Zupfer, der zum Elfer führte.

Jan Simak: Enttäuschung des Spiels. Schlug immer einen Haken zu viel, so als müsste der 96-Hase allen zeigen, dass er jeden Gegner jederzeit umkurven kann. Aber die Reutlinger Igel standen meist schon da, wo Simak hinwollte.

Daniel Stendel: Hatte viele Kilometer auf dem Tacho und ein schönes Tor auf dem Konto. Es hätten aber zwei Gutschriften mehr sein können.

Jiri Kaufman: Auch nicht schlecht. Bewegte sich gut, aber auch er hätte mehr als ein Tor machen müssen.

Salif Keita: Das war gar nichts.

Christian Mikolajczak: Zappelphilipp, der mit seinem hektischen Spiel alle verrückt macht.

(Quelle: Neue Presse, 22.10.01)


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