Hannover 96 | Saison 2001/02, 6.Spieltag |
Hannover 96 - Karlsruher SC 5:0 (3:0) |
Hannover 96: Sievers - Cherundolo, Linke, Diouf, Stefulj - Lala, Krupnikovic, Simak - Stendel, Kaufman, Keita / Trainer: Rangnick
Karlsruher SC: Walter - Waterink - Engelhardt, Kracht, Rothenbach - Fuchs, Rus, Melkam - Seitz - Fritz, Labbadia / Trainer: Kuntz
Eingewechselt: 68. Morinas für Kaufman, 75. Nehrbauer für Simak, 75. Schäfer für Stendel - 46. Weis für Seitz, 74. Graf für Rus, 74. Grimm für Rothenbach
Tore: 1:0 Rothenbach (19., Eigentor), 2:0 Simak (31.), 3:0 Keita (38.), 4:0, 5:0 Simak (62., 73.) - Schiedsrichter: Steinborn (Sinzig) - Zuschauer: 13 647 - Gelbe Karte: Waterink, Fritz
Fünf Tore
und der feine Unterschied
Stark, stärker, 96:
Beim 5:0-Sieg in Karlsruhe trumpften die „Roten“ groß auf.
Fangen wir mit einem kleinen Blick in die Fußball-Historie an. Hannover 96 und ein Kantersieg gegen den Karlsruher SC – da war doch mal was? Genau, Saison 1986/87. Mit 8:0 gewannen die Hannoveraner damals die Zweitligapartie gegen die Badener, wobei die späteren Folgen dieses Erfolges noch interessanter waren als das spektakuläre Ergebnis selbst: Hannover 96 stieg am Ende jener Saison in die 1. Liga auf.
Gestern gab es also wieder einen hohen Heimsieg gegen den KSC. Okay, kein 8:0, auch wenn dieses sogar möglich gewesen wäre angesichts der hannoverschen Überlegenheit und Torchancen. Aber ein 5:0 machte auch etwas her, und wenn dieser Erfolg ähnliche Entwicklungen nach sich ziehen würde wie damals ...
Aber machen wir an dieser Stelle lieber Schluss mit der Träumerei, gerade bei diesem Verein, dem so etwas nie besonders gut getan hat in den vergangenen Jahren. Wobei, ein kleines bisschen träumen darf ja vielleicht erlaubt sein nach einer Leistung, die beeindruckend war und nach der sogar der zurückhaltende Trainer Ralf Rangnick meinte, dass „wir in dieser Form schwer zu stoppen sind“. Rangnick hat, das muss korrekterweise erwähnt werden, den Satz ausschließlich auf die Heimspiele bezogen, in denen es bislang nur um die Höhe des Sieges ging. 3: gegen Alemannia Aachen, 2:0 gegen den VfL Bochum, jetzt 5:0 gegen den Karlsruher SC – dreimal stimmte stets nicht nur das Ergebnis, sondern immer gingen die Zuschauer mit dem Gefühl nach Hause, eine spielfreudige und harmonische 96-Mannschaft gesehen zu haben.
Bislang läuft es bei den „Roten“ nach Plan: Auswärts nicht verlieren, zu Hause gewinnen – die Mannschaft hält sich in der 2. Liga akribisch an diese Formel. Auch in der Fremde haben die Hannoveraner bislang nie schlecht gespielt, doch im Niedersachsen-Stadion treten sie mit dem Tick mehr Mut, Entschlossenheit und Dynamik auf, der den Unterschied zwischen Unentschieden und Sieg macht. „Die Mannschaft hat zu Hause das Selbstvertrauen, sie weiß mittlerweile, dass sie Spiele so gestalten kann wie gegen Karlsruhe.“
Nach diesem 5:0 weiß man gar nicht, was beeindruckender war: die Kombinationssicherheit, die Variabilität oder doch das Tempo, das die Mannschaft derzeit in der Lage ist vorzulegen? Einem Tempo, bei dem jedem Gegner schnell schwindlig werden kann. Karlsruhe, bislang in der 2. Liga nicht im Verdacht, ein Schießbudengegner zu sein, verlor angesichts des Angriffswirbels teilweise die Übersicht. Das 1:0 übernahmen die Gäste selbst – Carsten Rothenbach nahm Jiri Kaufman mit einem Eigentor die Arbeit ab -, beim 2:0 profitierte 96 von der Tollpatschigkeit des sonst nicht schlecht haltenden Torhüters Thomas Walter.
Bei den drei anderen Treffern hatten die Hannoveraner Hilfe nicht nötig, sie waren das Resultat von Spielkunst, aber auch der individuellen Klasse eines Mannes: Jan Simak. Dem 2:0 des Tschechen gingen ein kluger Pass von Steve Cherundolo und eine erstklassige Vorarbeit von Jiri Kaufman voraus. Das 4:0 war ein Freistoß Marke Traumtor, das 5:0 war die Krönung einer Galavorstellung des 22-Jährigen. Ausgerechnet Jan Simak, der Glück hatte, dass er bei dieser Partie nicht auf der Tribüne sitzen musste, ragte an diesem Nachmittag aus einem 96-Team ohne Schwachpunkt heraus.
Simak bewies, dass er – wenn er Lust und Laune hat – der vielleicht beste Zweitligaspieler ist. Und Hannover 96 zeigte, dass die Elf zu den besten Zweitligamannschaften gehört. Und dabei handelt es sich nicht um Träumereien.
P.S.: Kreativ und einfallsreich wie in den 90 Minuten erwies sich die Mannschaft auch vor und nach dem Spiel: Zusammen mit den Karlsruher Profis präsentierten die Hannoveraner ein Transparent mit der Aufschrift „We stand together for peace and freedom“ (Gemeinsam für Frieden und Freiheit). Während der Schweigeminute für die Opfer der Terroranschläge in den USA standen 96-Trainer Ralf Rangnick und sein KSC-Kollege Stefan Kuntz Arm in Arm am Spielfeldrand und demonstrierten Gemeinsamkeit. Und das war noch viel wichtiger als ein 5:0 in einem Fußballspiel.
(Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 17.09.01)