Hannover 96 | Saison 2000/2001, DFB-Pokal, 3. Hauptrunde |
VfB Stuttgart - Hannover 96 2:1 (1:0) |
VfB Stuttgart: Hildebrand (3) - T. Schneider (3,5), Soldo (3,5), Carnell (4) - Kauf (3,5), Endress (4) - Pinto (4), Gerber (4,5) -
Balakov (4) - Dundee (3), Hosny (5) - Trainer: Rangnick
Hannover 96: Sievers (3) - Amadou (4,5), Molata (3,5), Dermech (4) - Schäfer (4) - Cherundolo (4,5), Dinzey (4,5) - Linke (4),
Stefulj (5) - Stendel (5), Simak (4,5) - Trainer: Ehrmantraut
Eingewechselt: 46. Thiam (4,5) für Hosny, 74. Seitz für Pinto, 89. Lisztes für Balakov - 57. Bounoua (4,5) für Cherundolo,
67. Morinas für Stefulj, 79. Däbritz für Simak
Tore: 1:0 Dundee (7., Rechtsschuß, Vorarbeit Pinto), 1:1 Simak (52., Linksschuß), 2:1 Balakov (56., Foulelfmeter, Linke an Balakov) - Schiedsrichter: Stark (Ergolding) - Zuschauer: 4 500 - Gelbe Karten: Gerber, Kauf, Soldo - Linke, Molata
(in Klammern die kicker-Noten)
Ausgeträumt - 96 zaubert nur kurz
"Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin", riefen zwei 96-Fans
vorm Anpfiff. Der Traum vom Pokalfinale, am Mittwoch war er beendet. 1:2 in Stuttgart,
Achtelfinal-Aus für Hannover.
96 im Zweitliga-Hoch, Stuttgart im Erstliga-Tief, im Gottlieb-Daimer-Stadion
glaubten viele an eine Überraschung. "Hannover ist für mich klarer Favorit", sagte
ZDF-Dauerredner Rolf Töpperwien. 96-Chef Martin Kind meinte kess: "Wir gewinnen, ich fahre doch nicht
1000 Kilometer hin und her, um unsere Männer ausscheiden zu sehen." Vor der kläglichen Kulisse von 3400 Zuschauern begann 96
auf zwei Positionen verändert. Steve Cherundolo und Michael Molata durften für Altin Lala (gesperrt) und Nico
Däbritz (formschwach) mitmachen. Stuttgarts Trainer Ralf Rangnick hatte seinen Spielmacher
begnadigt. Nach zwei Wochen Pause kam Krassimir Balakow wieder zum Einsatz, Oliver Schäfer kümmerte sich
um den Bulgaren.
Der VfB wollte sich im Pokal aus der Krise schießen, die erfolgverwöhnten Gäste (acht Tore in den letzten beiden
Ligaspielen) bekamen das (zu) schnell zu spüren. Nach sieben Minuten erster Jubel im leeren Rund, die feine
Zusammenarbeit von Roberto Pinto und Sean Dundee hatte die Führung eingebracht.
Und Stuttgart drängte auf frühe Entscheidung. Heiko Gerbers wuchtiger Schuss aus 20 Metern (11.), Ahmed Hosnys
Direktabnahme nach einer Ecke (12.), Pintos Versuch aus kurzer Distanz (13.) - drei Chancen in drei Minuten.
Nach 27 Minuten sah 96-Trainer Horst Ehrmantraut die erste Möglichkeit seiner Profis. Zauberer Jan Simak
verblüffte die VfB-Abwehr mit einem Hackentrick, der so bediente Danijel Stefulj zwang Torwart Timo Hildebrand zu einer prima
Parade.
Das 96-Thermometer zeigte langsam Pokalfieber an. In der 52. Minute wars dann ausgebrochen, weil Simak vorm Strafraum keinen freien Mitspieler fand. Perfekte Lösung des Problems 23 Meter vor dem Tor: ein Schuss in den Winkel. Aber die 96-Freude währte nicht lange. Nur vier Minuten später hatten sowohl Michel Dinzey wie auch Carsten Linke Schwierigkeiten mit dem quirligen Balakow. Linkes Attacke erfolgte im Strafraum und war folgenschwer. Ein Pfiff, ein Elfmeter (der Gefoulte schoss), das Pokalfieber war erloschen. Und daran änderte sich bis zum Abpfiff nichts mehr.
Die Reaktionen:
96-Trainer Horst Ehrmantraut: Fußball ist ein einfaches
Spiel. Es gewinnt die Mannschaft, die den größeren Willen zeigt. Das war heute
Stuttgart. Wir lagen in der Spielkultur völlig daneben, permanente Ballverluste haben es uns sehr
schwer gemacht. Wir haben die erste Halbzeit komplett verschlafen.
Stuttgarts Trainer Ralf Rangnick: Wir haben sehr gut begonnen, danach aber nicht mehr ganz so kompakt
gestanden, ohne dass 96 groß zu Chancen gekommen war. Nach dem 2:1 hätten wir noch höher gewinnen können.
96-Manager Wolfgang Levin: Wir haben unglücklich durch einen Elfmeter verloren. Man sieht schon, dass in der
ersten Liga noch viel schneller gespielt wird. Für uns ist das kein Rückschlag.
Fahed Dermech: Wir waren nicht aggressiv genug. Hier wäre mehr drin gewesen. Wenn man solche Fehler macht wie
wir, wird man in der ersten Liga sofort bestraft.
Jörg Sievers: Wir haben heute kaum eine Torchance gehabt und verdient verloren. Die Leistung war nicht ausreichend.
Carsten Linke: Wir haben hier zu wenig geboten, um im Pokal weiterzukommen.
VfB-Marketingdirektor Hansi Müller: Wir haben viel Respekt gehabt vor Hannover. Unsere Mannschaft hat 96
nicht ein Prozent unterschätzt. Beeindruckt hat mich Jan Simak, ein Klassemann.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Verhinderte mit vielen Rettungsflügen eine
höhere Niederlage.
Michael Molata: Überraschungslibero, ließ sich vorm 0:1 von Pinto überlaufen.
Fahed Dermech: Überraschungs-Manndecker gegen Dundee. Dermech biss sich gegen das Torkrokodil durch,
auch wenn Dundee ihm oft die Zähne zeigte.
Moudachirou Amadou: Erst gegen Hosny. Nachdem der raus war für Mittelfeldmann Thiam, suchte Amadou nach
einem Gegner und einer Aufgabe.
Steven Cherundolo: Der Amerikaner durfte für den gesperrten Lala ran, hatte viele Probleme mit dem starken
Gerber.
Oliver Schäfer: Der Manndecker musste raus aus seiner Stammregion, dem Strafraum, und sich um Stuttgarts Diva
Balakow im offensiven Mittelfeld kümmern - eine Fehlbesetzung.
Danijel Stefulj: Mit mehr Freiraum als gewöhnlich. Sollte seine Mannschaft nach vorn bringen, kam aber nicht ins Spiel.
Schoss einmal gefährlich aufs Tor.
Michel Dinzey: Auf links von Pinto vernascht wie die Gummibärchen von Thomas Gottschalk.
Carsten Linke: Foulte Balakow im Strafraum, das war der Elfmeter und die Entscheidung. Fiel sonst nur durch Meckern
auf.
Jan Simak: Bester Kreativ-Spieler, aber mit vielen Kunstpausen.
Daniel Stendel: Ackerte viel, erntete aber nichts.
Mourad Bounoua: Konnte sich nicht einmal durchsetzen.
Igoris Morinas: Blass.
Nico Däbritz: Konnte kein Ding mehr drehen.
(Quelle: Neue Presse, 30.11.00)