Hannover 96 | Saison 2000/2001, 33.Spieltag |
FC St. Pauli - Hannover 96 2:2 (0:2) |
FC St. Pauli: Weber (5) - Stanislawski (2,5) - Trulsen (3), Ahlf (3) - Kolinger (4), Bürger (3) -
Bajramovic (3), Meggle (3), Rahn (3) - Patschinski (4), Rath (2,5) / Trainer: Demuth
Hannover 96: Sievers (2) - Molata (3) - Amadou (3), Dermech (3,5) - Bounoua (4), Linke (4),
Schäfer (4) - Stefulj (4), Däbritz (4) - Kaufmann (4), Simak (2,5) / Trainer: Levy
Eingewechselt: 56. Konetzke (3) für Kolinger, 65. Klasnic für Patschinski, 71. Baris für Trulsen - 33. Cherundolo (4) für Schäfer, 65. Stendel für Kaufmann, 83. Morinas für Simak
Tore: 0:1 Schäfer (14.), 0:2 Kaufmann (30.), 1:2 Stanislawski (51.), 2:2 Klasnic (82.) - Schiedsrichter: Dr. Fleischer (Ulm) - Zuschauer: 20 735 (ausverkauft) - Gelbe Karten: Patschinski - Stefulj
(in Klammern die kicker-Noten)
Partybremse 96 ärgert St. Paulis wilde Jungs
Rauch steigt auf, die schwere Glocke läutet zweimal, ihr bedrohlicher Klang geht über in aufputschende Rockmusik.
Und da kommen sie, nein, da springen sie, die wilden Jungs aus St. Pauli. Schon beim Einlaufen aufs Feld ist zu spüren,
dass das kein gewöhnliches Fußballspiel wird. Für St. Pauli gehts um den Aufstieg, für die brav aufs Spielfeld trottenden
96-Akteure um nichts.
Den Unterschied sieht man: Angeführt von Kapitän Holger Stanislawski hüpfen die einheimischen Profis den Fans
entgegen, rudern mit den Armen und fordern zum Krach machen auf. Sie wollen es mit aller Macht schaffen, und die
15.000 wollen sie mit aller Kraft in die erste Liga treiben. Und so legen sie los und berennen das 96-Tor in den ersten
Minuten, allerdings kopflos. 96 macht das, was es kann, oder worauf Zwischen-Trainer
Stanislaw Levy das Team getrimmt hat: hinten drinstehen und abwarten.
Und mit Glück fällt dann sogar mal ein Tor wie das 1:0 von Oliver Schäfer, der den Ball nach einer Torwart-Panne über
die Linie (14.) drückt. Schön herausgespielt nach einem Patzer von Markus Ahlf dann das 2:0. Jan Simak schickt Jiri
Kaufman steil, der Stürmer trifft (30.) cool. Die Jungs aus dem Krachmacherstadion werden danach
leiser. St. Pauli bringt nicht viel zu Wege. Beeindruckend allein, wie viele Bierbecher auf
immer vollen Tabletts von der Bedienung auf die Tribünen geschleppt werden.
Kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit hätte Simak endgültig das Interesse aufs kollektive Trinkgelage lenken können.
Doch der 96-Zauberer kommt freistehend nicht an Torhüter Weber vorbei (49.). Als Holger Stanislawski der Anschluss gelingt (51.), wirds
richtig heiß auf St. Pauli. Die Fans drehen auf, die Profis auch, als sei die erste Stunde nur ein lahmes Vorspiel
gewesen. Sie spielen, wie es der Werbespruch einer Biermarke auf der Anzeigetafel verheißt: volle Pulle rein das
Ding. Doch immer wieder legt sich Jörg Sievers quer, rettet, wie gegen Rath (76.).
Als der eingewechselte Ivan Klasnic den Ausgleich erzielt (83.), wirft der Hamburger sogar mit seinem Bierbecher um
sich. Die Stimmung schäumt über, doch nach Schlusspfiff liegen die St.-Pauli-Spieler wie nach einem schweren Kater
auf dem Rasen. Die Aufstiegsparty muss verschoben werden, fällt vielleicht sogar ganz aus.
Das hätte den Vorteil, dass 96 kommende Saison die Stimmung erneut genießen kann - dann vermutlich mit Trainer
Ralf Rangnick. Sonnabend hat sich der Vorstand auf den Kandidaten festgelegt.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Sein Pech, dass er bei 96 spielt. Mit Sievers im
Tor wäre St. Pauli vermutlich schon aufgestiegen. Hielt die letzten zehn Minuten
verletzt durch, obwohl er vor Schmerzen nicht mehr stehen konnte.
Michael Molata: Der Libero bügelte viele Pannen seiner Abwehrkollegen aus. Anders als gewohnt aber nur auf die
Defensive beschränkt.
Moudachirou Amadou: Gegner Marcel Rath spielte ihn schwindlig. Amadou kann sich bei Sievers bedanken, dass
der Stürmer nicht eine seiner sechs Chancen nutzte.
Fahed Dermech: Manndecker gegen Nico Patschinski - und da steckte Dermech wiederholt in der Patsche. Der Einsatz
stimmte aber.
Mourad Bounoua: Nur selten konnte er seine Schnelligkeit bei Kontern nutzen. Oft am Ball, aber es kam zu wenig dabei
heraus.
Danijel Stefulj: Großer Kämpfer. Warf sich in Flanken, grätschte und rannte, wenn auch häufig kopflos.
Carsten Linke: Vorbildlicher Einsatz, räumte vor der Abwehr viele Bälle weg.
Oliver Schäfer: Nach links versetzt. Spitzelte St. Paulis Torhüter Weber den Ball vom Fuß zum 0:1. Kam aber nach
einer halben Stunde nicht mehr richtig auf die Beine - eine Bauchmuskelzerrung brach wieder auf. Die Saison ist für ihn
beendet.
Nico Däbritz: Als Spielmacher eine Fehlbesetzung. Seine Pässe kamen selten an. Er packte aber beim Verteidigen
kräftig mit an.
Jan Simak: Man sieht, was er am Ball kann. Wichtiger aber wäre gewesen, die Riesenchance zum 3:0 zu nutzen.
Jiri Kaufman: Juhu, ein Stürmer der ein Tor schießt. Warum bloß hat man ihn so lange versteckt?
Steven Cherundolo: Kam für Schäfer auf die linke Seite. Wuselig, aber immer noch nicht in Form.
Daniel Stendel: Nur Einwechselspieler. Fast hätte er sogar ein Tor erzielt.
Igoris Morinas: Setzte sich schön gegen zwei Hamburger durch - und rollte dann einen harmlosen Rückpass aufs Tor.
Stürmer ohne Mumm.
(Quelle: Neue Presse, 14.05.01)