Hannover 96 | Saison 2000/2001, 24.Spieltag |
SSV Reutlingen - Hannover 96 3:0 (2:0) |
SSV Reutlingen: Curko
(3) - Cast (3,5), Malchow (3), Traub (3) - Lapaczinski (3), Aduobe (2), Janic
(2,5) - Lexa (2), Becker (2,5) - Sumiala (3), Djappa (2) / Trainer: Veh
Hannover 96: Sievers (1,5) - Molata (4) - Dermech (4,5), Schäfer (5) -
Stefulj (3,5), Cherundolo (5,5) - Lala (3,5), Linke (3), Bounoua (3,5) - Stendel
(2,5),
Keita (4,5) / Trainer: Ehrmantraut
Eingewechselt: 72. Hoffmann für Sumiala, 73. Wildmann für Becker, 85. Barborik für Lexa - 39. Gorges (4) für Cherundolo, 55. Däbritz (2,5) für Stefulj, 65. Morinas für Keita
Tore: 1:0 Malchow (21., Foulelfmeter), 2:0 Djappa (27.), 3:0 Hoffmann (88.) - Schiedsrichter: Aust (Köln) - Zuschauer: 6 209 - Gelbe Karten: Malchow - Linke, Schäfer, Stefulj, Stendel
(in Klammern die kicker-Noten)
Kann 96 wirklich noch
absteigen?
Ehrmantraut-Alarm nach
der Pleite. Sechs Punkte gesucht
Die Frage muss erlaubt sein: Wo eigentlich steht die Kreuzeiche am "Stadion an der Kreuzeiche"? Fan Martin Fischer holte am Sonntag ein wenig aus: "Also, 1964 hat Reutlingen in diesem Stadion gegen Bayern, Gladbach und St. Pauli um den Bundesliga-Aufstieg gespielt. Da war hier noch alles ganz anders. Bayern und Gladbach haben es geschafft." Ja, äh - und die Kreuzeiche? "Ö ist eine Gemarkung am Rande von Reutlingen", klärte Fischer auf.
Ja,
kruzifix, fragen wir nicht weiter nach der Eiche, immerhin wissen wir nun, dass der SSV Reutlingen eine stolze Vergangenheit hat. Die Gegenwart sieht auch nicht schlecht aus - besser jedenfalls als bei 96. Gestern nahm der Aufsteiger die Hannoveraner eine Halbzeit lang mit flottem Offensivfußball auseinander. Schon nach 28 Minuten stand es 2:0, doch der Reihe nach.
96 begann bemüht und hätte Reutlingen beinahe auch überrascht. Molata spielte Stendel im Strafraum frei, der glücklose Stürmer traf aber nur das Außennetz (1. Minute). Auch Keita scheiterte (12.). Dann hielt die allgemeine Verunsicherung wieder Einzug bei 96. Die Abwehr wackelte bedenklich - es fiel aber zunächst ein Reutlinger. Schäfer hatte Sumiala im Strafraum umgerissen. Malchow bedankte sich mit dem Elfmeter zum 1:0 (21.). Sieben Minuten später half Steven Cherundolo dem Gegner: Mit einem ungenauen Rückpass bediente er Olivier
Djappa, der Reutlinger Stürmer tanzte noch 96-Torhüter Sievers aus und traf zum 2:0.
Cherundolo spielte fortan weiter Fehlpässe, "der Steven war völlig von der Rolle", erkannte Ehrmantraut und holte den Mittelfeldspieler (Gorges kam) vom Platz, um weiteres Unheil zu verhindern.
Dass 96 nicht weiter in Rückstand geriet, war aber vor allem Sievers zu verdanken. Er rettete zweimal gegen Djappa und gegen Lexa. Mit der Einwechslung von Nico Däbritz (55.) kam in Hälfte zwei etwas Schwung ins 96-Spiel. Beinahe wäre ihm gar ein Treffer gelungen. Ein wuchtig getretener Freistoß in Minute 68 landete am Lattenkreuz und prallte von dort zurück - Carsten Linke musste nur noch den Fuß hinhalten. Tat er auch, allerdings etwas ungeschickt - das ging daneben. Wie auch alle weiteren Offensivbemühungen von 96, die (vom 0:1 am Donnerstag bei St. Pauli) müden Reutlinger machten es geschickter: Hoffmann spitzelte den Ball kurz vor Schluss (88.) zum 3:0 ins Tor. Die 200 mitgereisten 96-Fans waren stinksauer. Linke, Lala,
Bounoua, Gorges und Stendel schenkten ihnen ihre Trikots, auch Sievers versuchte, die Anhänger zu besänftigen. "Sie haben uns angeschrien und sind verzweifelt", erzählte
Sievers.
Trainer Ehrmantraut sprach später von einer "neuen Zeitrechnung" bei 96: "Wir stehen nun mit dem Rücken zur Wand und spielen gegen den Abstieg." Sechs Punkte, so rechnet er vor, braucht 96 noch - aus zehn Spielen. "Das kann sehr schwer werden, wenn es für uns so weiterläuft."
Die Reaktionen:
96-Trainer Horst Ehrmantraut: Bei uns ist es so, dass wir uns selbst schlagen. In der ersten Halbzeit waren wir in Offensive und Defensive sehr schwach, in der zweiten Halbzeit wurde das Spiel besser. Es zählt aber das Quäntchen Glück und die Konsequenz im Abschluss.
Reutlingens Trainer
Armin Veh: Wir haben Chancen erspielt und zum richtigen Zeitpunkt unsere Tore gemacht. In der zweiten Halbzeit hat Hannover gedrückt. Meine Mannschaft hat aber Moral gezeigt.
Mourad Bounoua: Wir bestrafen uns immer selbst, schaffen es nicht, Tore zu schießen und machen Fehler. Wir müssen jetzt zusehen, dass wir 40 oder 42 Punkte erreichen.
Jörg Sievers: Natürlich ist man nach so einem Spiel ratlos. Wir machen nach wie vor die entscheidenden Fehler.
Altin Lala: Es ist eine negative Grundeinstellung da, das Selbstvertrauen fehlt.
Guido Gorges: So macht es keinen Spaß.
Carsten Linke: Nach dem 0:2 haben wir es nicht mehr geschafft, genug Druck aufzubauen. So kann man in der zweiten Liga nicht bestehen. Wir sind dabei, uns die Saison restlos zu versauen.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Der 96-Kosmetiker. Sorgte dafür, dass die Niederlage mit 0:3 nicht ganz so hässlich ausfiel. Aber kann das ein Trost sein?
Oliver Schäfer: Gegenspieler Sumiala war bissiger und knabberte an Schäfers Zeigefinger. Das tat weh. Nun kann er seine Wunden lecken, Sonntag gegen Ulm fehlt Schäfer (fünfte gelbe Karte). Besser so: Schäfer wirkt ausgebrannt.
Fahed Dermech: Spielte den Bewacher für Reutlingens stärksten Angreifer Olivier
Djappa. Er hätte Handschellen mit aufs Feld nehmen sollen, Djappa entwischte ihm zu oft.
Michael Molata: Der Abwehrchef hatte seine Hintermannschaft nicht im Griff. Vor dem 0:3 verdribbelte er sich am Strafraum.
Altin Lala: Bekommt von uns die Fleißnote vier, weil er wieder emsig auf der rechten Seite hin und her rannte. Ob er so aber mit Albanien in der WM-Qualifikation Deutschlands Nationalspieler Marco Bode ärgern kann?
Carsten Linke: Sollte im zentralen Mittelfeld den Denker und Lenker spielen. Er konnte aber auch nicht verhindern, dass 96 orientierungslos der Niederlage entgegen schwankte.
Steven
Cherundolo: Für ihn war es einer dieser Tage, die Fußballprofis am liebsten nie erleben möchten. Nichts, aber auch gar nichts gelang.
Danijel Stefulj: Lief vorm 0:2 Torschütze Djappa nicht energisch genug hinterher. Er wirkte verkrampft.
Morad Bounoua: Bemühte sich um Schwung auf der linken Seite. Einer der Besseren unter den Schlechten.
Salif Keita: Begann gut und wurde dann immer schlechter.
Daniel Stendel: Vergab die Großchance zur Führung nach wenigen Sekunden. Leicht verbessert, aber noch lange nicht gut. Und weiter torlos, ist ja klar.
Guido Gorges: Zuverlässig in der Defensive. Wehe aber, wenn er nach vorne spielt.
Nico Däbritz: Ordentlich. Der Mittelfeldspieler hatte Pech mit einem Freistoß ans Lattenkreuz.
Igoris Morinas: War der auch dabei?
(Quelle: Neue Presse, 05.03.01)