Hannover 96 | Saison 2000/2001, 22.Spieltag |
SV Waldhof Mannheim - Hannover 96 2:1 (1:0) |
Mannheim:
Hollerieth (2) - Balitsch (4), Pasieka (3), Vukotic (2), Rehm
(3) - Teber (4), Montero (2,5), Vincze (4), Protzel (-) - Licht (3), Klausz
(2,5) / Trainer: Rapolder
Hannover 96: Sievers (3) - Schäfer (3),
Amadou (3),
Dermech (3) - Linke (2), Cherundolo (4), Stefulj (4,5), Lala (4) - Simak (3),
Morinas (3), Stendel (4) /
Trainer: Ehrmantraut
Eingewechselt: 23. Catic (2) für Protzel, 64. Skela für Vincze, 72. Roembiak für Teber - 46. Bounoua für Stefulj, 79. Molata für Amadou, 79. Keita für Simak
Tore: 1:0 Klausz (3.), 1:1 Linke (59.), 2:1 Teber (69.) - Schiedsrichter: Fröhlich (Berlin) - Zuschauer: 6 900 - Gelbe Karte: Lala, Linke
(in Klammern die kicker-Noten)
Tschüß, Aufstieg? 96
verabschiedet sich
Linkes Ausgleich reicht nicht.
Fünfte Auswärtspleite in Folge
Wars das? Mit einem 1:2 in Mannheim hat sich 96 aus dem Aufstiegskampf verabschiedet.
Die Prinzessin von Mannheim residiert im Maritim-Parkhotel. Im Foyer grüßt "Ihre Lieblichkeit Melanie, die Erste"
freundlich von einem Plakat. "Seine Ernsthaftigkeit" Horst Ehrmantraut hatte für die Dame keine Augen.
Bei der Vorbereitung auf ein Spiel lässt sich der 96-Trainer nicht ablenken, auch den Autogrammwunsch eines Fans
lehnte er mit einem trockenen "Nein" ab und stieg als Letzter in den Bus, der zehn Minuten
später am Carl-Benz-Stadion stoppte. Dort stimmte Ehrmantraut seine Profis auf das Spiel
ein. "Kein Risiko nach hinten, volles Risiko nach vorne", pflegt er in der Mannschaftsbesprechung zu sagen -
pardon, zu schreien. Leider waren die guten Vorsätze schnell über den Haufen geworfen.
Mannheims Otto Vincze spielte in Minute drei Doppelpass mit Selim Teber. Der flankte präzise auf den flinken Stürmer
Laszlo Klausz, dessen Lupfer 96-Torhüter Jörg Sievers nicht erreichen konnte. Das 1:0, ein früher Schock, von dem sich 96 in der ersten
Halbzeit nicht mehr erholte. In der Offensive gelang so gut wie nichts, weil sich Hannovers Profis zu wenig bewegten und
im Aufbauspiel zu viele Fehler machten. Mannheims Torwart Achim Hollerieth musste in den ersten 45 Minuten keinen
Schuss abwehren. Das 96-Spielvermögen also war armselig, auch wenn Igoris Morinas kurz vor der Pause beinahe noch der Ausgleich
gelungen wäre. Ehrmantraut hatte ihn wegen seiner guten Trainingsleistungen für Nebojsa Krupnikovic aufgestellt - in
der Hoffnung, "dass der Igor endlich mal seine Chance nutzt". Hat er nicht, nach
feinem Steilpass von Jan Simak lief Morinas frei auf das Tor zu und trat den Ball kläglich neben
den Pfosten (44.).
In der Kabine erließ Hannovers Fußball-Patriarch Horst Ehrmantraut sodann, dass sich seine Getreuen um mehr
Druck und Spielkultur bemühen mögen. Carsten Linke hatte offenbar besonders gut zugehört. Morinas schickte Linke mit
einem Pass auf die Reise, und der machte es mit links (59.). 96 schien die Partie nun in den Griff zu bekommen. Morinas
jedoch hatte bei einem Pfosten-Schuss in der 63. Minute erst Pech, vermochte dann aber, nur wenige Sekunden später,
das Chaos in der Mannheimer Abwehr nicht zu nutzen. Waldhof machte es besser. Nach einer Ecke ließ Simak den
Ball über den Hinterkopf rutschen, Teber bedankte sich und köpfelte aus drei Metern ins Tor. Bitter für 96:
Das 1:2 war schon die fünfte Auswärtspleite in Folge.
Die Reaktionen:
96-Trainer Horst Ehrmantraut: Es ist die größte Schwierigkeit für mich, mich jetzt zu beruhigen und nicht
ausfallend zu werden. Die erste halbe Stunde von uns glich einem Freundschaftsspiel. In der zweiten Halbzeit waren wir
dominant, aber einfach zu dusselig.
Mannheims Trainer Uwe Rapolder: Es war für uns heute eine Frage der Moral nach der schweren letzten Woche.
96-Manager Wolfgang Levin: Katastrophaler als das Chemnitz-Spiel. Es gab grausame Fehlleistungen. Das hat mir
heute die Schuhe ausgezogen.
Steven Cherundolo: Wir hätten hier zumindest einen Punkt machen müssen.
Carsten Linke: Wir müssen zusehen, dass wir 40 Punkte kriegen und nicht absteigen.
Oliver Schäfer: Wir haben hier durch zwei blöde individuelle Fehler verloren.
Altin Lala: Solange es rechnerisch geht, müssen wir oben dranbleiben.
Fahed Dermech: Das ist zu wenig, um über den Aufstieg zu reden. Wir haben gedacht, dass wir die Kurve gekriegt
haben. Aber anscheinend ist das nicht so. Wir haben noch dieselben Probleme wie vor der Winterpause.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Sah nicht so gut aus beim Kopfball zum 2:1,
als er auf der Torlinie kleben blieb.
Fahed Dermech: Wirkungsvoll als Prellbock, aber mit Schwächen im Aufbauspiel.
Oliver Schäfer: Konnte zwar verhindern, dass Knipser Licht ein Tor erzielte. Doch Schäfers Leistung hatte auch
dunkle Flecken.
Moudachirou Amadou: Kam mit seinem Gegenspieler Klausz nicht klar. Der Stürmer hatte zu viel Raum, machte
das 1:0 und bereitete weitere Chancen vor.
Altin Lala: Zweikampfstark. Einer der wenigen, von denen ein Zuspiel den Kollegen erreicht.
Carsten Linke: Er ist eben der Fußball-Gott, als den ihn die 96-Fans feiern. Göttlich sein Tor zum 1:1. Sonst in den
Zweikämpfen gewohnt erdnah.
Steven Cherundolo: Dem Amerikaner fehlt der Biss. Zudem bröckelts es zu oft auf seier linken Seite.
Jan Simak: Riskiert viel, bemüht sich, aber die Superform des Herbstes hat er nicht mehr.
Danijel Stefulj: Er lernt unter Ehrmantraut alle Ecken des Platzes kennen. Gegen Ahlen Rechtsaußen, diesmal
Linksaußen. Von einem, der sich rechts hinten wie gegen Saarbrücken am wohlsten fühlt, ist eine schwache Leistung
links vorne wohl normal.
Igoris Morinas: Ehrmantraut verdient sich für sein Festhalten an Morinas den litauischen Verdienstorden erster
Klasse. Bitter für den Trainer, dass der Stürmer zwei erstklassige Chancen vergab. Steigerte sich in der zweiten
Hälfte, einsatzfreudig.
Daniel Stendel: Daniel Torlos neuerdings auch zweikampfschwach. Hält die Bälle nicht mehr wie im starken
96-Herbst.
Mourad Bounoua: Kam für Stefulj und brachte Schwung auf der linken Seite. Warum nicht mit Bounoua von Anfang an?
Salif Keita: Bewegte nichts mehr.
Michael Molata: Konnte in elf Minuten dem Trainer nichts mehr beweisen.
(Quelle: Neue Presse, 17.02.01)