Hannover 96 | Saison 2000/2001, 18.Spieltag |
1. FC Nürnberg - Hannover 96 4:2 (2:1) |
1. FC Nürnberg: Köpke (3) - Tavcar (5), Nikl
(3,5), Johansson (3,5),
Wiblishauser (3,5) - Günther (5), Ogungbure (3), S. Stoilas (4), Krzynowek
(2,5) - Driller (2), Gomis (4) / Trainer:
Augenthaler
Hannover 96: Sievers (2) - Dermech (4), Amadou (5) - Molata (4) - Stefulj
(4,5), Schäfer (4), Linke (2),
Cherundolo (4) - Lala (4), Bounoua (3) - Simak (4) / Trainer: Ehrmantraut
Eingewechselt: 46. Möckel (3) für Gomis, 66. Leitl für Günther, 84. Störzenhofecker für S. Stoilas - 57. Morinas (5) für Simak, 70. Keita für Amadou
Tore: 0:1 Linke (22.), 1:1 Gomis (23.), 2:1 Nikl (44.), 2:2 Linke (75.), 3:2 Driller (80.), 4:2 Krzynowek (83.) - Schiedsrichter: Lange (Filderstadt) - Zuschauer: 25 200 - Gelbe Karten: Linke, Schäfer
(in Klammern die kicker-Noten)
96 verteilt vier Geschenke -
Ehrmantraut holt die Rute raus
Trainer zweifelt an
"Grundqualität einiger Spieler". Heute Treffen mit Klubchef.
Schöne Bescherung: 96 verlor 2:4 in Nürnberg - und
Aufstiegsplatz drei an Mönchengladbach.
96-Trainer Horst Ehrmantraut flüchtete sich in "Zynismus". Anders, fand er, sei
es ja "nicht zu ertragen". Also parlierte er vor versammelter Presse launisch:
"Ich habe meinen Spielern gesagt, sie sollen den Nürnbergern zur Weihnachtsfeier ein
schönes Geschenk machen." Genau genommen warens vier. "Ja, is denn heut
scho Weihnachten", muss Louis Gomis gedacht haben, als ihm in Minute 24 der Ball vor
die Füße fiel. Der Brasilianer traf - 1:1. Bitter für 96, Carsten Linke hatte zwei
Minuten zuvor die Führung erzielt. 96 gab sich weiter großzügig. Als Stoilas einen
Eckstoß vors Tor trat, ließ die verunsicherte Abwehr den köpfelnden Marek Nikl
gewähren - 2:1 in Minute 45.
Ehrmantraut krempelte seine Mannschaft um. Ein gelernter Stürmer war aber erst ab der 57.
Minute für 96 am Ball. Bis dahin hatte Morinas neben den Angreifern Keita, Ullmann und
Kaufman auf der Ersatzbank gesessen. Er kam für Simak. Es lag nicht am dilettierenden
Morinas, doch 96 entwickelte fortan mehr Druck. Der Ausgleich kam trotzdem ein wenig
überraschend: Wieder traf Linke, nun per Kopf (74.). Nürnbergs Trainer Klaus Augenthaler
meinte später flapsig: "So ein Spiel verlierst du normalerweise noch." Normal
war das allerdings ganz sicher nicht, wie 96 die Nürnberger Offensivkräfte weiter
bediente: Schäfer und Cherundolo behinderten sich statt Nürnbergs Möckel. Dessen Flanke
verwertete Driller zum 3:2 (81.). Schließlich hatte Krzynowek bei einem Solo-Lauf freie
Bahn, Hannovers Profis hätten ihm auch noch eine hübsche Schleife um den Ball binden
können. 4:2 (83.), das wars, auch wenn Morinas noch einen Strafstoß verdient gehabt
hätte, als er im Strafraum umgerissen wurde. Der schwache Litauer und der ebenfalls
eingewechselte Keita dürften bei 96 kaum eine Zukunft haben: "Sie haben noch immer
ein weißes Hemd", schimpfte Ehrmantraut und redete sich in Rage: "Einige bei
uns vergewaltigen den Ball ... Einige reden zu viel, wie klasse sie sind, zeigen aber viel
zu wenig ... Es liegt auch an der Grundqualität einiger Spieler. Denen muss man sagen:
tschüs und auf Wiedersehen."
Der 96-Coach machte weiter Druck. "Drei bis vier Neue für alle
Mannschaftsteile", fordert Ehrmantraut. Es gibt eine Liste mit zehn Kandidaten. Nun
will sich der Trainer mit 96-Chef Martin Kind treffen. Ehrmantraut: "Der Verein hat
jetzt die Wahl: Entweder, wir bringen die Saison nur anständig zu Ende. Oder wir
versuchen, oben dranzubleiben." Soll heißen: ohne Neue kein Aufstieg. Schöne
Bescherung.
Die Reaktionen:
96-Trainer Horst Ehrmantraut: Wir haben nicht genug Qualität, um im oberen Drittel mitzumischen. Wir müssen jetzt aufpassen, nicht noch weiter nach unten abzurutschen.
Nürnbergs Trainer Klaus Augenthaler: Meine Mannschaft hat Moral gezeigt und Hannover noch niedergekämpft.
Carsten Linke: Über meine zwei Tore kann ich mich nicht so recht freuen. Ich hätte lieber gar keins geschossen, dafür aber einen Punkt mitgenommen.
Fahed Dermech: Wir haben einfach die Seuche.
Michael Molata: Nach den letzten Spielen müssen wir froh sein, jetzt in die Pause zu kommen.
Jörg Sievers: Entscheidend war ber, dass wird bei allen Gegentreffern Hilfestellung geleistet haben.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Musste zwar vier Stück aus dem Netz holen, aber das
hatten seine Vorderleute verbockt. Der Kapitän verhinderte mit sensationellen Paraden
noch mehr Gegentore.
Michael Molata: Erste Halbzeit ordentlicher Libero, in der zweiten
Ordnungsfaktor im Mittelfeld.
Fahed Dermech: Erst Manndecker mit Patzer beim 1:1 gegen Gomis, dann
kurzzeitig Libero, dann Manndecker gegen Driller. Keine Überraschung, dass bei so vielen
Umstellungen auch Dermech durcheinander war.
Moudachirou Amadou: Zappelig, der Bauer im Spiel - schlecht geackert, oft
falsch gestanden, dann geopfert und ausgewechselt für eine offensivere 96-Ausrichtung.
Oliver Schäfer: Begann im defensiven Mittelfeld gegen Nürnbergs
Spielmacher Stoilas. Nach der Halbzeit Manndecker von Stürmer Möckel mit zu vielen
dicken Patzern.
Altin Lala: Erst Rechtaußen, dann nach hinten versetzt. Bekam endlich
Jacek Krzynowek in den Griff. Der Nürnberger hatte in der ersten Halbzeit Stefulj
schwindelig gespielt.
Danijel Stefulj: Vor der Halbzeit siehe unter Lala. Nach der Halbzeit
schlappte er vorne hilf- und weitgehend orientierungslos herum.
Carsten Linke: Zwei Tore, schöne Vorlagen - beste Saisonleistung.
Steven Cherundolo: Profitierte anfangs von der schwachen Leistung seines
Gegners Sven Günther. Nach dessen Auswechslung gegen Leitl mit großen Problemen.
Jan Simak: Der 96-Zauberer zweimal im Pech. Einmal schoss er freistehend
knapp vorbei, dann flog ein Freistoß gegen den Pfosten. Musste offenbar entkräftet raus.
Mourad Bounoua: Einer der besten und auffälligsten 96-Spieler. Schöne
Flanke zu Linkes 2:2, wirkte nicht so platt wie die meisten Kollegen.
Igoris Morinas: Seit Wochen hackt der Trainer auf seiner Leistung herum.
Dennoch brachte er ihn in der Stürmernot wieder - um festzustellen, dass er nichts
bringt. Versiebte freistehend eine Riesenchance.
Salif Keita: Der Nullmann. Hatte in 20 Minuten nicht eine Aktion.
(Quelle: Neue Presse, 18.12.00)