Hannover 96 | Saison 2000/2001, 15.Spieltag |
Hannover 96 - FC St. Pauli 1:1 (1:0) |
Hannover 96: Sievers (2) - Dermech (4) - Schäfer (3,5), Amadou (3) - Bounoua (4), Lala (3),
Linke (3,5), Stefulj (4,5) - Däbritz (4) - Morinas (4,5), Simak (2) / Trainer: Ehrmantraut
FC St. Pauli: Weber (3) - Puschmann (3,5) - Kolinger (3), Trulsen (4,5) - Wehlage (2,5), Lotter (2),
Bürger (3), Rahn (4) - Meggle (3,5) - Rath (3), Klasnic (4) / Trainer: Demuth
Eingewechselt: 67. Molata für Morinas, 74. Keita für Däbritz - 38. Ahlf (3,5) für Trulsen, 61. Baris für Puschmann, 79. Patschinski für Klasnic
Tore: 1:0 Simak (11.), 1:1 Lotter (68.) - Schiedsrichter: Kinhöfer (Herne) - Zuschauer: 22 335 - Gelbe Karten: Linke, Amadou - Bürger, Rath, Lotter, Rahn, Meggle
(in Klammern die kicker-Noten)
Fehler im System, aber 96
surft weiter oben mit
Simak traumhaft, St. Paulis Angriff auf Platz zwei abgewehrt
Schön, wenn Fans an ihre Mannschaft glauben. Bei einigen computer-begeisterten Hamburgern geht das Grundvertrauen
so weit, dass sie eine Homepage mit der einprägsamen Adresse www.pauli-steigt-auf.de ins Internet stellten. Und
das schon vor Saisonbeginn, als die Experten St. Pauli als Abstiegskandidaten einstuften.
Nun wurden diese Anhänger bislang nicht enttäuscht, denn der 96-Gegner surfte ja seit Saisonbeginn überraschend auf
einer Erfolgswelle in Liga zwei. Und so begann das selbstbewusste Kultteam vom Kiez auch im
Niedersachsen-Stadion schwungvoll. Rath (4. Minute) und Lotter (10.) hatten die ersten Chancen der
Partie, das Tor allerdings schoss 96. Und was für eines: Altin Lala spielte mit einem
30-Meter-Pass Jan Simak im Strafraum frei, der lupfte den Ball über Torhüter Heinz Weber ins Netz. Fortan allerdings
schlichen sich bei 96 die Abspielfehler ein, wie ein gemeiner Virus in ein Computersystem. Hannover schien irritiert ob der
forschen Hamburger Gangart und verlor in der Abwehr vorübergehend die Ordnung. 37 Tore hatten St. Paulis Offensivkünstler an den 15
Spieltagen zuvor schon geschossen. Die 96-Fans ahnten nun, wie sie das angestellt hatten. Dass nun vorerst kein weiteres
hinzu kam, hatte auch mit Glück zu tun: Bounoua klärte auf der Linie nach einem Schuss von Rath (18.), Sievers schien
nach dem direkten Freistoß von Lotter gar erst hinter der Torlinie zu retten (19.).
Es war, als ob 96 mit einem Systemfehler zu kämpfen hatte, den das Team erst nach einer knappen halben Stunde in den
Griff bekam. Techniker Simak setzte sein fußballerisches Werkzeug an der rechten Stelle an, der junge Tscheche (22.) sorgte mit feinen
Tricks und schönen Pässen für den nötigen Gegendruck. Es gab viele "Oohs und
Aahs" auf der Tribüne, wie bei Kindern, die vor einem reich geschmückten Gabentisch
stehen. In der 43. Minute hatte Simak Pech, dass Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer seinen zweiten Treffer
wegen vermeintlicher Abseitsstellung nicht anerkannte. Es wäre ein regulärer Treffer gewesen.
Nach der Pause bemühte sich 96 um die Entscheidung in dem wichtigen Spiel zu Beginn der "Woche der Wahrheit"
(Ehrmantraut), dem noch die Partien Donnerstag in Fürth und Sonntag in Nürnberg folgen.
Was dann jedoch passierte, durfte einfach nicht wahr sein. Bounoua köpfte zu ungenau (56.), und Simak
schoss drüber (57.). St. Paulis Lotter machte es besser, nachdem Stefulj gepatzt und Dermech ihm den Ball maßgerecht aufgelegt hatte
(68.). St. Pauli blieb gar die bessere Mannschaft. Und als der eingewechselte Salif Keita in Minute 87 nur den
Pfosten traf, musste 96 mit dem 1:1 zufrieden sein. Immerhin wurde damit der Hamburger Angriff auf Platz zwei
abgewehrt.
Die Reaktionen:
96-Trainer Horst Ehrmantraut: Nach dem 1:0 haben wir einen Totalzusammenbruch erlitten. Es war hektisch und
ungeordnet. Ein Extremfehler von Fahed Dermech hat den Ausgleich ermöglicht. Das ist ein Ergebnis, mit dem ich nicht
zufrieden sein kann.
St.-Pauli-Trainer Dietmar Demuth: So, wie das Spiel gelaufen ist, bin ich sauer, dass wir nicht gewonnen haben.
Wir hatten genug Chancen.
Jörg Sievers: Wir haben kein schlechtes Spiel gezeigt. In der zweiten Halbzeit waren wir nicht aggressiv genug. Das
Gegentor war nicht unverdient.
Oliver Schäfer: Trotz vieler Chancen haben wir nicht gewonnen - tut mir Leid.
96-Manager Wolfgang Levin: Das 1:1 war ein gerechtes Ergebnis. Wir hatten zwei bis drei Schwachstellen, die wir
nicht kompensieren konnten.
Nico Däbritz: Das Unentschieden geht in Ordnung. Auf meine linke Hand ist mir ein Gegenspieler
draufgesprungen, sie ist möglicherweise angebrochen.
Mourad Bounoua: Nach so einer Partie darf man enttäuscht sein.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Schuldlos am Gegentor. Hielt sonst alles,
fischte sogar einen Ball raus, der wohl schon hinter der Linie war.
Fahed Dermech: Hatte seine Abwehr nicht im Griff. Leitete das 1:1 mit dummem Patzer ein, als er Lotter den Ball
vorlegte, statt ihn wegzudreschen. Im Hamburger Strafraum dann mit Pech bei einem Kopfball, der an die Latte knallte.
Oliver Schäfer: Hatte eine harte Nuss gegen den von Bundesligaklubs umworbenene Ivan Klasnic zu knacken.
Nicht immer auf Ballhöhe, aber der Schaden blieb in Grenzen.
Moudachirou Amadou: Auch nicht immer sicher gegen seinen früheren Cottbuser Kollegen
Rath.
Altin Lala: Spielte den Traumpass vor dem 1:0 auf Simak. Nach zweiwöchiger Sperre und auch Verletzungspause
gewohnt flink und wuselig.
Carsten Linke: Konnte Spielmacher Meggle nicht immer stoppen. Aber Linke hatte viele Kilometer auf dem Tacho
und gewann viele Kopfballduelle. Ist aber nach seiner fünften gelben Karte in Fürth gesperrt.
Danijel Stefulj: Sah zu oft die Rücklichter von Wehlage, der ihn auf der linken 96-Seite mit Leichtigkeit abhängte. Patzte
auch vorm 1:1.
Nico Däbritz: Wollte Spielmacher sein, brachte die Kollegen aber zu selten in gute Position. Doch vom
Sachsen-Maradona muss in Hannover mehr kommen.
Mourad Bounoua: Stark auf rechts. Trickreich, schnell, und dann hätte er fast noch ein Tor erzielt als er frei vor Torwart
Weber stand.
Igoris Morinas: Zweikampfschwacher Mittelstürmer. Zu berechenbar, zu pomadig, zu harmlos. Konnte den verletzten
Daniel Stendel nicht ersetzen.
Jan Simak: Riesig. Spielte seinen Gegner Trulsen schwindlig, so dass St.-Pauli-Trainer Demuth ihn schon in der
38. Minute auswechselte. Ein Tor wurde ihm zu Unrecht wegen Abseits aberkannt. Hätte auch danach noch treffen
können.
Michael Molata: Versuchte vergeblich, nach seiner Einwechslung Ordnung ins Mittelfeld zu bringen.
Salif Keita: Traf freistehend den Pfosten - das wäre das 2:1 gewesen.
(Quelle: Neue Presse, 12.12.00)