Hannover 96 | Saison 2000/2001, 12.Spieltag |
FSV Mainz 05 - Hannover 96 0:2 (0:0) |
FSV Mainz 05: Wache (4) - Bodog (4,5), M. Friedrich
(4), Neustädter (4,5), Schuler (3) - Nehrbauer (3), Babatz (3,5), Schwarz (5), Hock (5) -
Ziemer (3), Thurk (4,5) / Trainer: Vandereycken
Hannover 96: Sievers (3) - Schäfer (3), Dermech (2,5), Amadou (3) -
Linke (4), Lala (2,5), Simak (2), Stefulj (4), Dinzey (4) - Stendel (3), Morinas (4) /
Trainer: Ehrmantraut
Eingewechselt: 63. Demandt für Hock, 71.
Hoffmeister für Thurk, 80. Woronin für Schwarz - 75. Molata für Schäfer, 83. Bounoua
für Simak
Tore: 0:1 Stefulj (57.), 0:2 Simak (65.) - Schiedsrichter:
Anklam (Hamburg) - Zuschauer: 4 513 - Gelbe Karten:
Bodog, Nehrbauer - Gelb-Rote-Karte: Morinas (74., wiederholtes Foulspiel)
- Rote Karte: Wache (70., Notbremse)
(in Klammern die kicker-Noten)
Psychotrickser Ehrmantraut - Er macht 96 zum Siegerteam
2:0, Sieg in Mainz - das ist neu für 96. Bis Sonnabend hatte
Hannovers Zweitligst dort nie gewinnen können. Das Team kletterte wieder auf Platz zwei.
Es lag etwas in der Luft in den Stunden vor dem Anstoß im Favorite Parkhotel in Mainz.
"Gereizt und angespannt wie lange nicht mehr" sei Trainer Horst Ehrmantraut
gewesen, drang aus dem Kreis der Mannschaft.
War es der Druck nach der 0:2-Pleite gegen Duisburg, die Angst, bei einer weiteren
Niederlage von den Aufstiegsrängen zu stürzen? Oder ein
Psycho-Trick? Ehrmantraut scheint bisweilen mit seinem Verhalten und seiner Laune zu
spielen, um bei seinen Profis eine bestimmte Reaktion zu erreichen. Wie die 96-Spieler
aber in den ersten 45 Minuten auf dem Rasen des Bruchweg-Stadions agierten, kann nicht in
Ehrmantrauts Sinne gewesen sein. Hinten ungewohnt unkonzentriert, im Mittelfeld unsortiert
und vorne ungefährlich. "Wir hatten große Probleme, unser Spiel zu finden",
erkannte Ehrmantraut. "Die Zuordnung in der Defensive hat nicht gepasst." Was
Mainz, optisch leicht überlegen, allerdings nicht zu nutzen wusste.
Ehrmantraut sah dann mit Freude, dass sein Team "in der zweiten Halbzeit - auch vom
Tempo her - zugelegt" hat. 96 gab nun Gas und ging zwölf Minuten nach dem Wechsel
durch Stefulj in Führung. Acht Minuten später traf auch Simak, und als der Mainzer
Torhüter Dimo Wache 30 Meter vor dem eigenen Tor Altin Lala umsprang und vom Platz flog,
schien die Partie gelaufen. Doch sie blieb unterhaltsam. Zehn Mainzer gegen elf 96-Profis,
so sollte es nicht bleiben, weil auch Morinas (nach Foul an Schuler) zu Recht Gelb-Rot
sah. Worüber sich Ehrmantraut jedoch furchtbar erregte. "Es nervt, wenn jeder
Körperkontakt gepfiffen wird", begründete er später seinen Ärger.
Ehrmantraut zeterte am Spielfeldrand, bis der umsichtig leitende Schiedsrichter Matthias
Anklam ihm Rot zeigte. Später klang es fast, als habe der 96-Trainer das gewollt.
"Das war wichtig, es war noch einmal ein Impuls an die Mannschaft", sagte
Ehrmantraut. Dabei hatte diesmal Ärger statt Verstand seine Zunge dirigiert. Fortan
verfolgte er die Partie auf einer Bohlenbahn für Rollstuhlfahrer, stand mal regungslos,
die Arme vor der Brust verschränkt, und tippelte dann von einem Fuß auf den anderen -
dem Sieg entgegen.
Später, als die Anspannung gewichen war, analysierte Ehrmantraut zufrieden: "Das
Positivste an dieser Mannschaft ist, dass sie den unbedingten Willen zeigt zu gewinnen.
Auch in einer schweren Situation nach einer Heimniederlage und bei einem Gegner, der mit
dem Rücken zur Wand steht."
Vorstandsmitglied Uwe Krause fand sogar, 96 habe sich als "Spitzenteam präsentiert,
das zu Recht nach einem Drittel der Saison auf einem Aufstiegsplatz steht".
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Der Zuverlässige. Hielt einen
abgefälschten Freistoß von Neustädter (37.) sowie einen Schuss von Ziemer (47.) - und
bewahrte 96 damit vor einem Rückstand.
Fahed Dermech: Der Überragende. Seit Wochen in Hochform, der Abwehrchef
tauchte auch in Mainz nicht ab.
Moudachirou Amadou: Der Rückkehrer. Nach der Rotsperre noch nicht ganz
der Alte, der Manndecker hatte Ziemer trotzdem ziemlich gut im Griff.
Oliver Schäfer: Der Bodyguard. Sollte immer ganz nah bei Thurk sein,
ließ ihm nur in Hälfte eins zu viel Raum.
Altin Lala: Der Nationalspieler. Verabschiedet sich morgen zur Partie
Albanien - Malta. Länderspielreif wars in Mainz nicht, Lala rieb sich rechts in vielen
Zweikämpfen auf.
Danijel Stefulj: Der Pfadfinder. Schien in Hälfte eins desorientiert im
zentralen Mittelfeld. Fand sich aber immer besser zurecht - und schließlich sogar den Weg
zum Tor.
Carsten Linke: Der Berg- und Tal-Fußballer. Für ihn gabs im Spiel
wieder viele Aufs und Abs. Mal glänzte er mit schönem Anspiel in die Spitze, zu oft aber
quälte er die Fans auch mit seinen Fehlpässen.
Michel Dinzey: Der Freistoß-Versager. Löffelte den Ball aus 23 Metern
übers Tor (40.). Im Training kann ers besser. Bemüht, aber uneffektiv auf der linken
Seite.
Igoris Morinas: Der Aussetzer. Sah Gelb-Rot und fehlt gegen Bielefeld.
Ehrmantraut sollte froh sein, dass er ihm mal eine Pause gönnen darf. Morinas gefiel
allein mit einem 40-Meter-Pass auf Simak vorm 2:0, sonst liefs gar nicht.
Daniel Stendel: Der Chancentod. So nennen ihn die Fans schon. Das ist
natürlich gemein, denn Stendel ackerte wieder viel - und bereitete geschickt das 1:0 vor.
Hätte zweimal aber auch Kollegen anspielen sollen, statt es alleine zu versuchen.
Jan Simak: Der Elegante. Ließ wieder schick die Gegenspieler aussteigen
- blieb aber viel zu oft auch hängen. Steigerte sich nach der Pause, war am 1:0 beteiligt
und erzielte das 2:0.
Michael Molata: Der Edelreservist. In der Schlussviertelstunde dabei,
aber selten mittendrin.
Mourad Bounoua: Der Dauerläufer. Durfte nur sieben Minuten rennen und
bewegte nicht mehr viel.
(Quelle: Neue Presse, 13.11.00)