Hannover 96 | Saison 2000/2001, 6.Spieltag |
VfL Osnabrück - Hannover 96 0:1 (0:0) |
VfL Osnabrück: Brunn (2,5) - Wenschlag (4,5) -
Rose (4,5), Schiersand (3) - Hey (4), Enochs (3,5), Schwinkendorf (3,5), Kindgen (4,5) -
Brinkmann (3,5) - Thioune (5), Janiak (5) / Trainer: Lorkowski
Hannover 96: Sievers (3) - Dermech (2,5) - Schäfer (3,5), Amadou (3) -
Lala (3), Stefulj (2), Linke (3), Bounoua (4) - Däbritz (3,5) - Morinas (4), Stendel
(2,5) / Trainer: Ehrmantraut
Eingewechselt: 59. Yu (3,5) für Kindgen, 59. Claaßen (4) für Thioune,
89. Schütte für Schwinkendorf - 70. Simak für Däbritz, 78. Dinzey für Bounoua, 78.
Touré für Morinas
Tore: 0:1 Stendel (90.) - Schiedsrichter: Dr. Fleischer
(Ulm) - Zuschauer: 10 600 - Gelbe Karten: Dermech,
Däbritz
(in Klammern die kicker-Noten)
96 bleibt oben dran - 1:0 in Osnabrück durch ein Tor in der Nachspielzeit.
Eben noch stand er unter Strom. Bei jedem Abspiel schwankte der Körper mit den Profis mit - wie ein Skiläufer, der vorm Slalom mit geschlossenen Augen die Strecke in Gedanken abfährt. Dazu brüllte Michael Lorkowski am Spielfeldrand Wortfetzen, deren Sinn man sich bestenfalls zusammenreimen konnte. Die Stimme versagte, schon 90 Minuten waren gespielt. Da sah der frühere 96-Trainer eine Chance von Jacek Janiak. Dann sackte der Coach plötzlich zusammen. Wie ein Box-Lehrling, der von einem der Klitschko-Brüder einen Leberhaken kassiert hat.
Der K.o. kam aber von Daniel Stendel. Der 96-Profi traf in der
Nachspielzeit - bei Lorkowski war augenblicklich die Luft raus, aber 96-Coach Horst
Ehrmantraut schien eine Sauerstoffinfusion bekommen zu haben. Wie aufgepumpt hüpfte
Ehrmantraut von seinem Plastikstuhl - dieser Sieg ist sooo wichtig. 96 klettert auf Rang
fünf. Dabei machte es sich die Mannschaft unnötig schwer. Osnabrück spielte passend zum
Tabellenstand. Ein Punkt aus fünf Spielen, der Retter aus der Abstiegsnot soll Ansgar
Brinkmann sein. Als freischaffender Künstler im Mittelfeld stellte sich Brinkmann vor.
"Jeder weiß, dass ich keiner aus dem Kirchenchor bin", ließ der Ex-TB-Profi
wissen.
Nach vielen Misstönen im VfL-Spiel eilte Torwart Uwe Brunn schon nach 36 Minuten bis in
die 96-Hälfte, um seinem verhinderten Sangesbruder einen vorzugeigen. Dreimal hatten bis
dahin schon hannoversche Akteure frei vorm Tor gestanden. Die erste Chance vergab Igoris
Morinas, der aus fünf Metern daneben zielte (18.). Es folgte Stendel, der allein auf
Brunn zulief - und dem Torwart den Ball in die Beine schoss (31.). Dann war Altin Lala
dran, der nach Stendel-Vorlage aus 13 Metern nicht an Brunn vorbeikam. "Den muss ich
reinmachen", ärgerte sich der Albaner nachher.
Nach der Halbzeit wieder ein Chancen-Dreier, erneut jeweils freistehend vor Brunn: Carsten Linke, Fahed Dermech, Stendel. "Sträflich, dass wir die nicht abgeschossen haben", meinte 96-Manager Wolfgang Levin zu Recht. Umso gerechter, dass Stendel dann doch noch den Sieg schaffte. "Es freut mich für Daniel, weil er so viel arbeitet", lobt Ehrmantraut. Kollege Lorkowski saß später wie betäubt vorm Bildschirm, sah die DSF-Bilder der Partie. Auch die blonde Frau an seiner Seite vermochte ihn nicht aufzumuntern. Möglich, dass es sein letztes Spiel als VfL-Trainer war. Der 96-Pokalheld, abgeschossen von 96 - das Fußballgeschäft ist gnadenlos.
Die Reaktionen:
Osnabrücks Trainer Michael Lorkowski: Wir sind
sehr enttäuscht. Ich hätte nicht mehr gedacht, dass in den letzten Minuten noch was
anbrennt. 96 hatte natürlich die besseren Chancen in der ganzen Zeit, aber so zu
verlieren, ist bitter.
96-Trainer Horst Ehrmantraut: In den ersten Minuten ist es nicht so
gelaufen, wie ich mir das vorgestellt hatte, da klappte die Umschaltung zwischen Angriff
und Abwehr nicht. Der Sieg ist hochverdient, er hätte viel früher unter Dach und Fach
sein müssen.
Altin Lala: Wenn man das Verhältnis der Chancen sieht, dann war der Sieg
mehr als verdient. So haben wir den Anschluss nach oben gehalten.
Fahed Dermech: Es war ähnlich wie in Saarbrücken. Nur, dass wir diesmal
in der Schlussphase das Tor gemacht haben. Der Sieg ist hochverdient.
Jörg Sievers: Das Tor hätte viel früher fallen müssen. So viele klare
Torchancen vergeben, da kann man nur von einem verdienten Sieg sprechen.
Oliver Schäfer: Wir haben hinten sehr sicher gestanden. Es war ein
komisches Spiel. Der Sieg hätte viel früher perfekt sein müssen.
Die Einzelkritik:
Jörg Sievers: Schoss nach einem Rückpass eine
Kerze in den Himmel. Riskierte seine Gesundheit, als er Janiak entgegenflog, der ihm in
die Hand trat.
Fahed Dermech: Solider Libero.
Moudachirou Amadou: Erst gegen Daniel Thioune.
Danach gab Amadou auch Yu keine Chance auf ein Tor.
Oliver Schäfer: Mit Hand-manschette, wickelte Janiak weitgehend ein.
Altin Lala: Hätte ein Tor machen müssen. Der Albaner ist vorm
gegnerischen Tor zu harmlos. Im Mittelfeld und der Abwehr aber bissig und zweikampfstark.
Carsten Linke: Kommt nicht in Form. Rennt und
kämpft, aber zu vieles misslingt.
Danijel Stefulj: Bester 96-Spieler. Sollte eigentlich nur Brinkmann kalt
stellen. Weil der Ex-TB-Profi aber Stefulj umgekehrt nicht folgte, hatte der Kroate viel
Freiraum. War in der ersten Hälfte so etwas wie der 96-Spielmacher. Nach Umstellungen
auch auf rechts sehr gut.
Nico Däbritz: Konnte das 96-Spiel lenken.
Mourad Bounoua: Schwächer als bei seiner starken zweiten Halbzeit gegen
Mannheim. Rannte aber viel.
Daniel Stendel: Keiner hatte mehr Kilometer auf dem Tacho als Stendel,
aber keiner hätte mehr Tore machen müssen. Aber er traf dann ja doch noch.
Igoris Morinas: Unglücklich.
Jan Simak:Reiste Donnerstag von Olympia los. 96 buchte ihn um, der
Tscheche flog von Zürich Freitag direkt nach Hannover - ohne Wohnungsschlüssel half ihm
Ko-Trainer Stanislaw Lewy. Nach Einwechslung kam Spielkultur in die 96-Aktionen. Auch am
Tor beteiligt.
Sherif Touré: Stolperte vor Aufregung beim ersten Solo - steigerte sich
aber.
Michel Dinzey: Versteckte sich - das war nichts.
(Quelle: Neue Presse, 25.09.00)